Der Mercedes Maybach trägt den Nerz nach innen

Jim redet nicht viel. Nicht mal, als sein Beifahrersitz mit leisem Summen nach vorn fährt und seine Kopfstütze umklappt. Jims Hände in weißen Handschuhen bleiben ruhig am Lenkrad, der Blick durch die dunkle Sonnenbrille fest auf der Straße.
Jim ist professioneller Chauffeur. Wir sollen einmal erfahren, was reiche Menschen täglich haben können, wenn sie denn einen Mercedes-Maybach ihr eigen nennen.
Jim fährt daheim in seiner 5130-Seelen-Gemeinde Jeep. „Das ist mein erster Mercedes“, erzählt er. „Und er fährt nicht, er schwebt.“ Der Maybach soll die leiseste Serienlimousine der Welt sein. Neben mir freut sich der Kollege diebisch. Er hat den besten Platz ergattert, den Chefsitz hinten rechts. Grinsend winkt er mit der Fernbedienung: Er hat den Sitz vor ihm (jenen neben Jim) nach vorn fahren lassen und jetzt so viel Platz, dass er sich so richtig lang machen kann. Sanft knetet die Massagefunktion „Hot stone“ in den gesteppten Sitzen den Rücken, während ich am Bildschirm vor mir die neuesten Nachrichten aus dem Internet checke und den Ohren ein wenig Musik über die internen Kopfhörer gönne. Die silbernen Champagnergläser stehen in einer Lehne bereit. Ein Kühler würde die passende Flasche temperieren. Würde, denn Alkohol ist für uns natürlich tabu. Ach so, arbeiten könnten man auch, es gibt ein ausklappbares Tischchen. Ein Laptop würde gut darauf passen. Aber wir lehnen uns zurück und träumen lieber …
Stil, Hightech und Handwerkskunst
Mercedes-Maybach - das ist neben der Sportlinie AMG die neue Submarke der Stuttgarter. Sie baut auf der aktuellen S-Klasse auf, die selbst von Kritikern häufig als „das beste Auto der Welt“ bezeichnet

wird. Mehr als 100.000 Stück wurden 2014 von der aktuellen S-Klasse abgesetzt - so viel wie nie. „Die neue S-Klasse Limousine verkauft sich besser als die Fahrzeuge der beiden bayerischen Hauptwettbewerber zusammen“, berichtet Martin Hülder, Leiter Produktmanagement S-Klasse. Weil man beim Maybach die Technik der S-Klasse vereinfacht gesagt vom Band nehmen kann und „nur“ die Innenausstattung handfertigt, kann man auch einen für das Segment der Luxuslimousinen attraktiven Preis anbieten. Los geht’s bei 134.053 Euro, wobei der Durchschnitts-Maybach mit entsprechender Ausstattung eher 200.000 Euro kosten dürfte. Zum Vergleich: Ein Rolls-Royce Wraith beginnt bei rund 279.500 Euro.
Der Maybach - ein Wagen für den Chef
Der Markt für solche Luxuslimousinen ist da. Vor allem in den USA und China. Auch Russland, der Nahe Osten, Europa und Japan bieten Potenzial. Laut World Ultra Wealth Report gibt es heute weltweit 211 275 Ultrareiche mit einem Vermögen von insgesamt rund 30 Billionen Dollar. In fünf Jahren sollen es schon 250 000 Ultrareiche sein. Mercedes lockt dieses potente Publikum nun mit dem, was man weltweit als „german engineering“ lobt, individuellem Premiumambiente, Luxusportfolio und einer ansprechenden, wenn auch nicht protzigen Verpackung. Es sei ein Auto, so Hülder, für Leute „die den Nerz lieber nach innen tragen“.
Der Maybach in Zahlen

Mit 5,45 Metern Länge und einem Radstand von 3,37 Metern übertrifft der Maybach die lange S-Klasse um je 20 Zentimeter. Topmodell ist der Maybach S 600 mit V12-Biturbo und 7-Stufen-Automatik (530 PS, Hubraum 5980 ccm, maximales Drehmoment 830 Nm). Der S 500 verfügt über ein V8-Biturboaggregat mit 9-Stufen-Automatik (455 PS, Hubraum 4663 ccm, maximales Drehmoment 700 Nm).
Nach etwa 45 Minuten Rundfahrt verabschieden wir uns von Jim: Der Maybach S 600 sei ein Traum. Einen Wunsch habe er aber doch: „Einmal meine Frau mitnehmen.“
Marke Maybach
Der Konstrukteur August Wilhelm Maybach (1846 bis 1929) gründete 1909 die Maybach-Motorenbau GmbH. Dort wurden bis 1941 die berühmten Luxusautos produziert. 1960 übernahm dann Daimler-Benz die Markenrechte, belebte aber erst 2002 die Traditionsmarke erneut. Im Dezember 2012 war dann wieder Schluss: In jenem Jahr waren weltweit nur 234 Modelle mit einem Stückpreis zwischen 300 000 und 500 000 Euro ausgeliefert worden. Diesmal soll alles anders werden. Übrigens: Mercedes plant im Luxussegment heuer auch die Einführung eines Pullman.
Der Maybach
Katrin Basaran