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Ersthelfer fassungslos: Autofahrer und Lkw brettern nach Massencrash durch Trümmerfeld ohne anzuhalten

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Von: Anna Liebelt

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Robert Wimmer, Leiter des „Team Unfall + Notfall Betreuung“, war als Ersthelfer an der Unfallstelle. A94: Innerhalb von drei Stunden hatten sich neun Unfälle ereignet.
Robert Wimmer, Leiter des „Team Unfall + Notfall Betreuung“, war als Ersthelfer an der Unfallstelle. A94: Innerhalb von drei Stunden hatten sich neun Unfälle ereignet. © Privat/Gaulke

Als Robert Wimmer (65) zufällig an einer Unfallstelle auf der A 94 bei Forstinning vorbeikommt, traut er seinen Augen nicht: Ohne Rücksicht brettern nachkommende Fahrzeuge über das Trümmerfeld - und keiner hält an.

Forstinning – Es ist dunkel, als Robert Wimmer, Leiter des „Team Unfall + Notfall Betreuung Ebersberg“, vergangenen Freitag vor einem Autowrack am Standstreifen der A 94 zwischen Forstinning und Anzing steht. Die Autobahn gleicht hier gerade einem Trümmerfeld: Auf der Fahrbahn liegen abgerissene Fahrzeugteile, zwei Autos stehen völlig zerstört links und rechts am Fahrbahnrand. Plötzlich rast ein Wagen mitten durch die Unfallstelle. Ein zweiter folgt. Und ein dritter. Insgesamt zehn Autos schlittern zwischen den kaputten Autoteilen und den quer stehenden Unfallfahrzeugen hindurch. Keines von ihnen hält. Wimmer, 65, der an diesem Abend zufällig an der Unfallstelle vorbeikommt, traut seinen Augen nicht: „Das war unglaublich.“

Neun Unfälle binnen drei Stunden auf der A94

Frost, Glatteis und viel Schnee: Neun Verkehrsunfälle ereignen sich am Freitagabend innerhalb von drei Stunden im Autobahnabschnitt zwischen Forstinning und Parsdorf. Laut Autobahnpolizei Hohenbrunn ist die nicht an die Witterungsverhältnisse angepasste Geschwindigkeit der Autofahrer die Hauptursache. Aber es mangelt nicht nur daran: Rücksichtslosigkeit und Egoismus lassen Wimmer auch drei Tage nach dem Geschehen immer noch mit dem Kopf schütteln.

Gegen 20.30 Uhr ist er am Freitag auf der A94 in Richtung München unterwegs. „Plötzlich kommen mir auf der Standspur drei Personen mit Taschenlampe und Warndreieck entgegen“, erinnert sich der Krisenhelfer. Also habe er abgebremst und sein Fahrzeug mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf dem Standstreifen geparkt. „Mein erster Gedanke war: Das Auto der Drei liegt wahrscheinlich in der Böschung rechts neben der Fahrbahn“, erklärt Wimmer. Als der Hohenlindener sein Fahrzeug verlassen will, um den Personen zu helfen, knallt es neben ihm. Ein nachkommendes Auto ist ungebremst in den auf der linken Spur stehenden Wagen der drei Personen gekracht. „Den habe ich zuerst nicht gesehen, weil er unbeleuchtet war“, schildert Wimmer den Unfall weiter. „Die Fahrzeuge sind geflogen. Das war filmreif.“

„Die Autobahn glich einem Trümmerfeld. Überall lagen Autoteile“, sagt Ersthelfer Robert Wimmer

Durch den Heckaufprall sei das stehende Auto quer über die Fahrbahn auf die rechte Spur geschleudert worden. Das auffahrende Fahrzeug sei links von der Leitplanke gebremst worden. „Die Autobahn glich einem Trümmerfeld. Überall lagen Autoteile“, sagt Wimmer. Nach einem kurzen Moment des Schocks verständigt der Krisenhelfer auf dem Grünstreifen neben der Autobahn die Autobahnpolizei Hohenbrunn. Doch diese ist zu der Zeit noch mit drei weiteren Unfällen auf dem Autobahnabschnitt in Richtung München beschäftigt.

Währenddessen passiert das für Wimmer Unfassbare: Ein Auto aus dem nachkommenden Verkehr brettert trotz eingeschalteter Warnblinkanlage des Ersthelfers ungebremst durch die Unfallstelle. Weitere folgen. Insgesamt zehn Autos krachen zwischen den Unfallfahrzeugen hindurch – ohne anzuhalten. Darunter auch zwei Lastwagen. „Da war mir sofort klar: Ich muss den Verkehr stoppen“, erklärt er. „Sonst rasen da alle rein.“ In einer waghalsigen Aktion stellt Wimmer ein Warndreieck sowie drei Warnkegel auf die Fahrspuren der A94. Mit Erfolg. Kurz darauf kommt der Verkehr zum Stehen. „Dann habe ich mich bei den verunglückten Personen erkundigt“, sagt Wimmer. Die schienen unverletzt. Nur der Fahrer des auffahrenden Autos habe über Schmerzen an der Halswirbelsäule geklagt.

A94: Rettungskräfte kommen wegen fehlender Rettungsgasse lange nicht zu Unfallopfern

„Keine 15 Minuten später habe ich gesehen, wie die Polizei auf der Gegenfahrbahn angefahren kommt“, sagt Wimmer. „Aber dann dauert es noch mal eine halbe Stunde, bis sie bei uns war, weil keine Rettungsgasse gebildet wurde“, sagt der Krisenhelfer hörbar entsetzt. Vor dem gleichen Problem habe auch der angeforderte Krankenwagen gestanden: Dieser kann auch wegen eines weiteren Unfalls am Stauende nicht zu den verunglückten Personen gelangen. Und erst eine ganze Stunde später habe sich die Feuerwehr einen Weg zur Unfallstelle bahnen können. „Einige Feuerwehrler sind dann zu Fuß durch den Stau gegangen. Das ist doch Wahnsinn“, sagt Robert Wimmer fassungslos. „Ich bin entsetzt über so viel Rücksichtslosigkeit und Egoismus mancher Verkehrsteilnehmer.“

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