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Freilassing verleiht Flügel – Architekten präsentieren Überraschung

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Von: Michael Hudelist

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So könnte der Anbau der Mittelschule, der Nordflügel, aussehen. © Grafik: Gerstmeier Inic Architekten

Schon im vergangenen Jahr diskutierten die Stadträte mehrmals insgesamt acht Varianten, um die aus allen Nähten platzende Mittelschule zu erweitern. Sie einigten sich schließlich im März auf drei Varianten auf dem bestehenden Gelände, die weiter untersucht werden sollten.

Freilassing – Das Planungsteam rund um den Münchner Architekten Thomas Gerstmeier und das städtische Bauamt nutzen die Monate bis zur Stadtratssitzung am Dienstag und präsentierten eine Überraschung. Keine Überraschung ist, dass trotz des Neubaus die Container auf der Nord-Ostseite des Areals bleiben werden.

Derzeit werden 333 Schüler an der Mittelschule Freilassing in 15 Klassen unterrichtet. Diese sind schon jetzt zum Teil in Containern untergebracht und in sogenannten Fachräumen, die zum Beispiel für Werken vorgesehen waren. Nach den Prognosen rechnet die Schule aber in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit über 500 Schülern. Wo sollen diese Platz finden? Noch mehr Container aufstellen? Ein Neubau, wenn ja, wo? Die Planer gehen von einem Spitzenwert im Jahr 2038 von 525 Schülern aus, dafür würden dann 25 Klassenzimmer gebraucht. Bei Vor-Ort-Terminen stellten die Planer fest, dass nicht nur mehr Klassenzimmer gebraucht werden, „auch das Lehrerzimmer ist zu klein, der Speisesaal und der Verwaltungsbereich sind an der Grenze und der Bühnenbereich muss als Lager genutzt werden“, so Gerstmeier. 

Die drei Varianten vom vergangenen Jahr hatten eines gemeinsam: Aufstocken der Container und ein Anbau. Doch die Planer und das Bauamt zauberten am Dienstag eine neue Version aus dem Hut: ein komplett neuer Anbau im Norden des Areals, ungefähr entlang der jetzigen Zufahrt zur Bibliothek. Trotz des Neubaus werden die Container im Osten des Areals bleiben, aber nicht versetzt und aufgestockt. 

„Fertigbauen“ war schon geplant

Doch zuerst mussten die drei Varianten des vergangenen Jahres „abgearbeitet“ werden. Das erledigte Architekt Thomas Gerstmeier in einer für Experten ungewohnt verständlichen Art und Weise. Die Variante 4 sah einen Anbau im Nordosten vor, „war in den Plänen von 1971 schon so vorgesehen“, aber die Verhältnisse seien sehr beengt, außerdem würde ein Keller fehlen und eine Baustelle auf der Rückseite eines Areals sei immer problematisch. „Der Anbau würde ein echter Oschi und es würde auch im Keller Klassenzimmer brauchen“. Also abgehackt. Die beiden Varianten 7 und 8 sahen einen Anbau auf der Südseite des Hofes vor, also zwischen dem Wald und dem Schulhof. „Die Nachteile: der Hof würde im Winter total verschattet sein und der Schulwald würde durch den Anbau abgeschnitten“, so Gerstmeier, „da hab ich ein schlechtes Gefühl“. 

Jetzt kam die Überraschung: Der geplante Anbau kommt nicht im Süden des Areals sondern im Norden, also entlang der Zufahrt zur Bibliothek. Die Mittelschule würde sozusagen einen „Nordflügel“ erhalten. „Der große Vorteil: kein Schatten im Schulhof, der Haupteingang könnte dann ebenfalls im Norden durch den neuen Verwaltungstrakt erfolgen und das Gebäude könnte auf der Südseite Balkone erhalten“. Einziger Nachtteil: der Flächennutzungsplan der Stadt müsste geändert werden, und das kann dauern: Sechs bis acht Monate mindestens. 

Für Entscheidungen im Stadtrat spielen auch die Kosten immer eine wichtige Rolle, aber die drei Varianten und die neue Nordflügel-Variante liegen nicht weit auseinander. So beziffern die Planer den Nordflügel mit 13,6 Millionen Euro, wobei die Kosten bei den derzeit galoppierenden Baupreisen nur eine Schätzung sein können. In die neuen Klassen einziehen könnten die Schüler dann frühestens Ende 2026, wobei die Container auf der Rückseite auch mit dem Anbau weiter genutzt werden. 

Als ob er nicht schon den Großteil der Stadträte durch die Ergebnisse und die Art  seiner Präsentation vom Nordflügel überzeugt hätte meinte Gerstmeier am Ende noch: „Ich war mir noch nie so sicher bei einer Empfehlung“. Man könne natürlich auch eine Art Verwaltungsgebäude als Schule bauen, „wo die Schüler wie Beamte am Morgen rein gehen und am Nachmittag wieder rauskommen“, aber das wolle wohl niemand.

Mittelschule und Gymnasium in Konkurrenz

Die Frage von Wolfgang Hartmann (Die Grünen), ob die derzeitigen Container bleiben und trotz Neubau aufgestockt werden konnte Noel Kress vom städtischen Bauamt nur zum Teil beantworten: „Ja, die Container bleiben. Ob sie aufgestockt werden müssen wissen wir derzeit schlichtweg noch nicht. Das hängt mit der Entwicklung der Schülerzahl zusammen“. Hartmann war begeistert, dass durch die neuen Räume im Anbau die Qualität der Mittelschule wieder gesteigert werden kann, weil dann wieder eigene Räume für Musik und Werken zur Verfügung stehen. „Das müssen wir alles anbieten können damit nicht alle Schüler meinen auf ein Gymnasium gehen zu müssen“. 

Für die CSU-Fraktion fand Hubert Kreuzpointner die Nordflügel-Variante „sehr gelungen“. Er wollte sogar wissen, ob man jetzt schon einen weiteren Anbau am Nordflügel vorbereiten und mitplanen sollte. Der Architekt riet davon ab. Doch auch Max Standl wollte wissen, ob der Anbau denn dann reichen würde, „oder müssen wir 2026 wieder über einen neuen Anbau entscheiden?“. Der in der Stadtratssitzung ebenfalls anwesende Rektor Christian Schneider meinte, die Zahl 524 sei derzeit die geschätzte Höchstzahl. Wie viele Kinder am Ende tatsächlich kommen wisse man nicht. Bürgermeister Hiebl sieht hier eine pragmatische Lösung: „Dann müssen wir eben Fachräume wieder vorübergehend zu Klassenzimmern machen“, wissend, dass das wiederum zu einem Qualitätsverlust führen würde. Derzeit wechselt übrigens nur jedes dritte Kind von der Grundschule in die Mittelschule. 

Holz oder Beton?

CSU-Stadtrat Michael Helminger fühlte sich bei den Planern „gut aufgehoben. Aus der Nordflügel-Variante ist das Optimum herausgeholt worden“. Er regte einen Preisvergleich Holzbau versus Beton an, wissend, dass Prognosen in diesem Bereich derzeit kaum möglich sind. „Ich würde ja lieber mit Holz bauen“, gab Gerstmeier seine Präferenz zu erkennen und versprach, einen Preisvergleich zu erstellen, soweit das derzeit möglich ist. 

Einzig Stefanie Riehl von den Grünen ließ sich von der allgemeinen Euphorie für die Flügelvariante nicht mitreißen. Ihr gefiel „der Komplex“ gar nicht, und, muss es ein Anbau sein, warum kein eigenes Gebäude, das dann mit dem Altbau irgendwie verbunden wird. Den genannten Nachteil eines Gebäudes im Süden des Areals, die Beschattung, sieht Riehl als Vorteil, „wir brauchen Schatten“.

Am Ende der 90-minütigen Präsentation und kurzen Diskussion stimmten fast alle für den Nordflügel. Fast, nur Stefanie Riehl von den Grünen blieb bei ihrem Nein. 

hud

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