Bei Hochwasser zerstört
Neubau der Kunsteisbahn Königssee: So viel soll das Projekt kosten
aktualisiert:
- 0 Kommentare
- Weitere
Der Neubau der Kunsteisbahn am Königssee soll 53,5 Millionen Euro kosten. Das hat der Landkreis in der Kreisausschusssitzung mitgeteilt. Die Hangsicherungsmaßnahmen am Grünstein und am Klingerbach sollen erst sehr spät starten, da die Planung bis 2023 dauern wird. Ein Jahr drauf könnten die Sicherungsarbeiten dann beginnen.
Schönau am Königssee - Die Kunsteisbahn, direkt am weltbekannten Königssee gelegen, steht stellvertretend für den Spitzensport im Berchtesgadener Land. So mancher Minister attestierte der Bahn Leuchtturm-Charakter. Klar ist aber auch: Die darauf stattfindenden Sportarten - Rodeln, Bob und Skeleton - sind Nischensportarten, betrieben von einer kleinen Zahl an Sportlern. Die Sportarten sind hoch subventioniert. Landrat Kern sagt: „Wir sind Eigentümer der Bobbahn und müssen uns darum kümmern.” Den Eindruck erwecken, die Bahn nehme die höchste Priorität ein, das wolle Kern allerdings nicht. “
Nach dem Unwetter im Juli, den damit verbundenen Murenabgängen und Verklausungen des Klingerbachs, ist der Schaden an der Bahn gewaltig. Die kolportierten 20 Millionen Euro: Schnee von gestern. Über 53 Millionen Euro liegen nun auf dem Tisch für eine Wiederherstellung - und Unwägbarkeiten gibt es noch etliche. Denn der Grünstein, jener Berg, unterhalb dessen die Kunsteisbahn verläuft, wird nicht maximal möglich gesichert werden können. Große Hangflächen wurden durch das Unwetter freigelegt. Diese bergen weiteres Gefahrenpotenzial. „Es ist davon auszugehen, dass bei Starkregenereignissen oder starken Gewittern Wildholz oder entwurzelte Bäume mit ausgetragen werden”, heißt es in einer Zusammenfassung des Landratsamtes. Allerdings: “Um künftig die Bahn wieder betreiben zu können, muss eine dauerhafte Sicherung gegen unkontrollierte Geschiebeablagerungen umgesetzt werden”, heißt es in dem Papier aus dem Landratsamt.
Nach zwei Monaten Überprüfung, nach etlichen Begehungen sowie Boden- und Berghanganalysen steht fest: Der Herrenrodelstart müsste bei einem Neubau bis zum Bob-Startgebäude rückgebaut werden, „ein sicherer Betrieb der Bahn in diesem Bereich wird künftig nicht mehr möglich sein”. Der Rückbau ist auch deshalb notwendig, „um ein entsprechend dimensioniertes Geschiebe- und Murenauffangbecken errichten zu können”. Eine eventuelle Neusituierung des Rodelstartbereichs sei nicht zuletzt von erforderlichen Sicherungsmaßnahmen am Klingerbach und dem Grünstein abhängig, heißt es.
Weil das Gelände zum Berg hin stark ansteigt, sieht eine erste Planung vor, dass die Auffangmauer für das Geschiebebecken „sehr hoch werden” muss. Laut Geologen sei mit einer Bauwerkshöhe von zehn bis zwölf Metern Höhe zu rechnen - vorbehaltlich einer „genauen Überprüfung”.
Die Beschädigungen an der Bahn sind enorm, „wir sind an einer Umweltkatastrophe nur knapp vorbeigeschrammt”, sagt ein Kreisrat. Denn die für die Bahn notwendige Ammoniak-Fernleitung wurde „in nahezu allen Bahnabschnitten vom Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen und dabei zum Teil erheblich zerstört”, heißt es in der Behördennotiz: „Es fanden massive Krafteinwirkungen (...) statt. Die Leitungen wurden zum Teil massiv verschoben und deformiert.” Eine Leckage gab es allerdings nicht. Die Fernleitung ist inzwischen komplett entleert worden. In Mitleidenschaft gezogen wurde auch die Schwach- und Starkstrom-Verkabelung: In Zukunft müsste diese in einem eigens errichteten Betonschacht verlaufen, zudem komplett neu installiert werden.
Laut Landratsamtverwaltung seien zunächst die Sicherungsmaßnahmen am Berg zu planen und umzusetzen. Jedoch: Das dauert: Realistisch sei, dass Planungen und Genehmigungsverfahren „bis 2023” abgeschlossen sind. „Viel zu spät”, sagt etwa Kreisrat Michael Koller (Freie Wähler) und wird dabei unterstützt von Sven Kluba (CSU) sowie Georg Wetzelsperger (CSU). Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland hat indes einen Geologen mit der Vermessung der Hanglage und der Begutachtung der geologischen Situation beauftragt. Ziel ist es, „zu ermitteln, wie groß die Menge an nachrutschendem Geröll ist”. Daraus sollen Rückschlüsse gezogen werden für die erforderliche Größe des Murenauffangbeckens. Erste Erkenntnisse erwarten sich die Verantwortlichen frühestens Mitte Oktober.
Im zuständigen Wasserwirtschaftsamt Traunstein kämpft man derzeit mit Personalknappheit. Vollkommen überlastet sei das Amt, heißt es intern, die Planungen für den Klingerbach, der in Teilen in dessen Zuständigkeit fällt, würden Jahre in Anspruch nehmen. Mit den Sicherungsbaumaßnahmen könnte frühestens 2024 begonnen werden. Ungeklärt ist auch, wer die Planung, Vergabe, die Bauüberwachung und die künftige Instandhaltung federführend leiten wird.
Fakt ist: Der Landkreis ist auf Hilfe angewiesen. Eigene Gelder für ein Projekt dieser Größenordnung gibt es nicht. “Wir werden nichts selbst in Auftrag geben”, verspricht der Landrat. Allein die nach dem Unwetter notwendigen Sicherungs- und Aufräumarbeiten haben den Landkreis rund 200.000 Euro gekostet.
Ende September ist zudem ein Ministerien-übergreifendes Gespräch angesetzt, in dem Vertreter aus Bau-, Umwelt- und Innenministeriums über die Zukunft der Kunsteisbahn am Königssee diskutieren wollen. Vertreter des Landkreises sind bislang nicht geladen.
Das größte Übel: Für die Kunsteisbahn besteht kein Versicherungsschutz in Sachen Elementargefahren - lediglich Feuer und Sturmereignisse seien abgedeckt. Mehrere Gutachten hatten in der Vergangenheit den Standort der Bahn in diesem Areal als Gefahrenlage eingeordnet, einen Versicherer fand man daher wohl nicht. Das Landratsamt teilt mit: “Für das Unwetterereignis vom Juli besteht somit kein Versicherungsschutz.”
„Gründlichkeit vor Schnelligkeit” - dazu mahnt Grünen-Kreisrat Bernhard Zimmer. „Die ganze Geologie am Berg ist verändert. Welche Kosten kommen da wohl noch auf einen zu?”. Die Antwort darauf hat niemand. Die Dimension des Projektes sprenge jeglichen Rahmen, „was unsere Zuständigkeit angeht”, warnte er. Auch Hans Metzenleitner (SPD) mahnte, der Landkreis dürfe in keinerlei Vorleistung gehen.
Die Kunsteisbahn sei wichtig, die Bezeichnung als Leuchtturmprojekt kam dieses Mal von Kreisrat und stellvertretendem Landrat Michael Koller: „Das ist eine Bahn mit historischer Bedeutung.” Schrittweise müsse man nun vorgehen, sagte er. Sven Kluba fordert zudem Unterstützung auf „hoher politischer Ebene” ein. Mehrere Minister und Bundestagsabgeordnete hatten den Wiederaufbau versprochen - allen Unwägbarkeiten zum Trotz.
kp