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WM-Mord: Drei Soldaten sahen R. mit dem Messer

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Von: Xaver Eichstädter

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Der Angeklagte Christoph R. (rechts) schwieg am Dienstag vor Gericht. Über seinen Anwalt Harald Baumgärtl (links) ließ er lediglich mitteilen, dass er auf eine Pixelung der Bilder, die ihn auf der Anklagebank zeigen, verzichtet. © ps

Traunstein/Bad Reichenhall - Am ersten Prozesstag schwieg der Angeklagte Christoph R. weiter. Durch Zeugenaussagen kam aber etwas mehr Licht in die brutale Tat.

+++ Am Mittwoch ab 9 Uhr und am Freitag werden wir erneut aktuell vom Gerichtsprozess berichten. Neben weiteren Zeugen werden am Mittwoch auch Gerichtsmediziner und Sachverständige des Landeskriminalamts aussagen. Am Freitag wird die Aussage des zweiten Opfers erwartet. Bei uns erfahren Sie umgehend alle neuen Hintergründe dieser brutalen Taten. ++ 

Update 17 Uhr: Aussage eines zweiten Kriminalhauptkommissars

Auch ein zweiter Kriminalhauptkommissar bestätigte, dass Christoph R. bei der Überführung von Oslo nach München sehr ruhig war: "Im Flugzeug saß er zwischen mir und meinem Kollegen." Geredet wurde dort nicht: "Das lag an allgemeinen Tipps, damit im Flugzeug die Situation nicht eskalieren kann." Erst danach auf der Autofahrt von München nach Traunstein wurden Gesprächsversuche unternommen: "Er war kurzsilbig und wortkarg. Außergewöhnlich war aber, dass er das Verhältnis zu seiner Mutter als ,zu gut' bezeichnete."

Zum Tatvorwurf äußerte sich Christoph R. nicht explizit. Er habe es weder bestritten, noch gestanden. Er erkundigte sich auch nicht nach den Opfern. In Traunstein gegenüber dem Ermittlungsrichter meinte er, es sei doch alles gesagt.

Mit Stubenkamerad nach dem WM-Sieg Bier getrunken

Der Kripo-Beamte lieferte weitere Erkenntnisse: Nach dem WM-Sieg wurde in der Stube anscheinend noch ordentlich getrunken: Christoph R. und sein Stubenkamerad hätten jeweils fünf Bier gehabt. Sein Stubenkamerad sei danach eingeschlafen, beim Aufwachen am nächsten Tag habe Christoph R. dann einfach im Bett gelegen: "Sein Stubenkamerad hat ihn in der Tatnacht als angetrunken beschrieben." Drei weitere Soldaten wollen ihn beim Hinausgehen aus der Kaserne gesehen haben, mit Kampfmesser in der Hose: "Er hat zu seinen Kameraden anscheinend nur gesagt, dass er jemand anderem das Kampfmesser jetzt zeigen wolle." Ein weiterer Kamerad sagte gegenüber dem Kriminalpolizisten, Christoph R. wäre auch um 8 Uhr morgens noch nicht in seinem Bett gelegen.

Update 15.15 Uhr: Aussage eines ermittelnden Kriminalhauptkommissars

Am Nachmittag sagte ein ermittelnder Kriminalhauptkommissar aus. Seine Erkenntnisse lassen Übles vermuten: Der mutmaßliche Täter Christoph R. könnte sich ein Vorbild bei einem PC-Rollenspiel genommen haben. Es konnte festgestellt werden, dass Christoph R. in der Kaserne "exzessiv" ein PC-Rollenspiel spielte: "Skyrim". Mit seinem Avatar muss der Spieler dabei mit einem Messer Monster töten und Trophäen sammeln: "Wir wissen es natürlich nicht sicher, aber der Stofffetzen aus dem Unterhemd des Opfers Alfons, das neben dem Opfer lag, könnte so eine Trophäe gewesen sein." Außerdem: Bei Christoph C. fand man später einen Handspiegel, der dem Opfer Sarah aus der Tasche entwendet wurde - eine weitere "Trophäe"? Der Kriminalpolizist geht weiter auf das Rollenspiel ein: "In einer Version geht es darum, den Monstern die Augen auszustechen." 2012 sei "Skyrim" als Spiel des Jahres ausgezeichnet worden, es wäre frei im Handel erhältlich. Ein weiterer Hinweis lässt eine Verbindung zu dem PC-Rollenspiel zu: Einem Zeugen, der Christoph R. in der Tatnacht begegnete, sagte der mutmaßliche Täter, er sei "der Nachtwanderer". Genau das war auch der Name seines Avatars im Rollenspiel, wie sich herausstellte.

So kam die Polizei Christoph R. auf die Schliche

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Der Angeklagte Christoph R. schwieg am Dienstag vor Gericht. Über seinen Anwalt Harald Baumgärtl ließ er lediglich mitteilen, dass er auf eine Pixelung der Bilder, die ihn auf der Anklagebank zeigen, verzichtet. © ps

Der Kriminalpolizist berichtete außerdem, wie man dem Tatverdächtigen Schritt für Schritt auf die Schliche kam: Ende Juli fanden die Ermittler das Tatmesser mit den DNA-Spuren der beiden Opfer: "So konnten wir schließen, dass es ein Täter war. Später wurden auch DNA-Spuren von Christoph R auf dem Messer festgestellt. Daraufhin meldeten sich auch zwei Soldaten der Kaserne Reichenhall: Sie hätten Christoph R. gesehen, wie er mit Messer aus Kaserne hinaus sei." In seinem Zimmer fand man Schuhe, die mit den Schuhabdruckspuren zusammenpassten - außerdem waren Blutspuren darauf und eine leere Messerscheide im Spint. Christoph R. sagte nach der Tat seinem Vorgesetzten, er würde nach Hause fahren, nach Trier. Dort wurde dann die Wohnung der Mutter durchsucht. Laut er, war Christoph R. auch kurz zu Hause, sei aber schließlich weitergereist - "mit unbekanntem Ziel".

Bei seiner Festnahme wirkte der Angeklagte teilnahmslos

Doch die Kripo ermittelte weiter: Man fand heraus, dass sich Christoph R. auch schon ein Flugticket nach Norwegen besorgte und dass sein Konto leer war. Das Flugticket kostete etwa 300 Euro. Am 22. Juli flog er nach Oslo, danach erging Haftbefehl. Im August konnte er schließlich bei Trondheim festgenommen werden. Die Norweger griffen ihn zufällig als Fußgänger in einem Tunnel auf.

Bei Auslieferung wurde er über seine Rechte von der deutschen Polizei aufgeklärt und ihm klargemacht, dass er Tatverdächtiger sei: "Das Gespräch war sehr spärlich, er antwortete nur mit Ja und Nein. Zum Teil könne er sich an die Tat erinnern. Warum er das getan hat? Seine Antwort war nur ,Ich weiß es nicht'. Er wirkte teilnahmslos."

Opfer Sarah überlegte, die Straßenseite zu wechseln

Die Vernehmung von Opfer Sarah nahm der Kriminalpolizist schon am 16. Juli auf. "Es war fantastisch, wie sie sich erinnern konnte und uns weiterhelfen konnte." Ihre Erinnerung war "ganz extrem gut. Sie konnte detailreich beschreiben, wie Tat abgelaufen ist und wie es dazu kam". Daher wurde auch ein Phantombild erstellt. Wie schilderte sie Tat? Sie beschrieb es sachlich und objektiv, "das war erstaunlich". Sie kam vom Public Viewing heim und sah eine Person, die ihr aus Richtung Bayerisch Gmain entgegen kam. Sie habe noch überlegt, ob sie die Straßenseite wechseln solle. Als die Person nach einem Gruß an ihr vorbeiging, sei es passiert: Sarah habe Schläge und Stiche bemerkt. Die Person habe nichts gesagt oder eine Reaktion gezeigt. Trotz Gegenwehr habe er nicht von ihr abgelassen. "Zuerst wollte sie sich totstellen, ergriff dann aber doch die Flucht. Sonst wär es das gewesen, sagte sie zu mir", so der Kriminalpolizist.

Ein zweiter Kriminalpolizist wird nun versuchen, weitere Hinweise zu den Taten geben zu können.

Update 12.30 Uhr: Die ersten Zeugen von den Tatorten

Nun wurden die Zeugen gehört, die als erstes an den Tatorten waren: "Das 72-jährige Opfer lag am Boden in Seitenlage eingekrümmt. Ich bin nervös geworden und habe die Polizei gerufen", schilderte etwa der erste Zeuge. Auch ein weiterer Zeuge, der das Opfer blutend auf der Straße liegen sah, bekam "Panik":  "Ich habe versucht, seinen Puls am Hals zu erfühlen, aber spürte dort nichts mehr."

Opfer Sarah klingelte bei einem Zeugen an der Tür

Das zweite Opfer, damals 17 Jahre alt, verlor durch die Messerstiche ein Augenlicht und rettete sich nach dem Angriff zu einem Wohnhaus. Drei weitere Zeugen schilderten vor dem Traunsteiner Landgericht, was sie erlebten: "Es klingelte stark an meiner Tür. Es war 3.15 Uhr in der Nacht. Ich bin dann hinuntergegangen, ein Mädel stand vor der Tür, hat geblutet und sagte nur ,Hilfe, Hilfe! Ein Junge hat mich geschlagen'." Jung und blond sei der Täter gewiesen, zitiert der Zeuge das Opfer.

Zeugen von den Schreien des Opfers aus dem Schlaf gerissen

Eine weitere Anwohnerin wurde durch die Schreie der 17-Jährigen gar aus dem Schlaf gerissen: "Hör' auf! Hör' auf!" habe sie gehört. Aus dem vierten Stock beobachtete sie die Szenerie und sah, wie eine Person ein Fahrrad im Gebüsch versteckte. Dunkel gekleidet sei die Person gewesen, "mit einem Kapuzen-T-Shirt." Die Aussage deckt sich mit den Annahmen der Staatsanwaltschaft, die den Täter mit einem schwarzen Kapuzenpullover beschrieb.

Der Täter torkelte davon

"Ich hörte nur die Frau schreien, von ihm war kein Ton zu hören", sagte ein fünfter Zeuge vor Gericht aus. Er wohnt schräg gegenüber des zweiten Tatorts. Leicht schwankend und torkelnd habe sich der Täter schließlich davon gemacht, ortsauswärts in Richtung Bayerisch Gmain. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft habe Christoph R. zu dem Zeitpunkt zwischen 1,4 und 2,4 Promille im Blut gehabt.

Am Nachmittag werden unter anderem auch die an den Tatorten anwesenden Polizisten Richter Weidmann Rede und Antwort stehen.

Prozessauftakt 10.35 Uhr: Angeklagter kommt aus schweren Familienverhältnissen

Der Angeklagte Christoph R. bahnte sich mit gesenkten Kopf den Weg durch die Journalisten in den Gerichtssaal. Leise sprach er mit seinem Verteidiger Baumgärtl. Richter Klaus Weidmann wünschte ihm, angesichts seines Geburtstages am Montag, dass er in seinem Leben gut zurechtkommen solle. Bei der Verlesung der Anklageschrift bleibt Christoph R. ruhig. Mit verschränkten Armen hört er zu, wie die schier endlose Liste an Verletzungen der Opfer heruntergelesen wurde. Die Staatsanwaltschaft schätzt, dass er zum Tatzeitpunkt zwischen 1,47 und 2,5 Promille im Blut hatte.

Sein Verteidiger Baumgärtl stellt schließlich klar: Christoph R. wird sich weder zur Tat, noch zu seinen persönlichen Verhältnissen äußern. Jedoch hat er sich gegenüber der Sachverständigen von der Jugendgerichtshilfe geäußert, welche anschließend sprach, vier Mal hat sie ihn in der JVA Traunstein getroffen und mit ihm gesprochen. Nach dem ersten Treffen taute er auf und zeigte sich offen.

Die Geschwister kamen zu Pflegefamilien, er blieb im Heim

Christoph R. stammt aus zerrütteten Familienverhältnissen: Sein Vater schlug seine Mutter, von Beruf Reinigungskraft.Im Alter von fünf Jahren wurden er und seine drei Geschwister schließlich von den Eltern getrennt, sie kamen in ein Kinderheim. Die Mutter kam in ein Frauenhaus, der Vater machte sich aus dem Staub. Christoph R. blieb schließlich als einziges der Kinder im Heim, seine Geschwister kamen in Pflegefamilien unter.

Er schlug sich als Kickboxer durch

Mit 16 schloss er mit seiner Familie ab und akzeptierte, dass er nicht mehr zur Mutter zurückkönne. Mit seinem Vater wollte er ohnehin nichts mehr zu tun haben. Er fühle sich der Familie sowieso nicht zugehörig, sie hätte einen "Intelligenzmangel"Als er jedoch mit 18 aus dem Heim auszog, wohnte er wieder kurz bei der Mutter, verließ sie nach Streit jedoch wieder. Er verbrachte ein Jahr in einem Obdachlosenheim und schlug sich als Kickboxer durch.

Kriegsfilme zogen ihn zur Bundeswehr

Im April 2013 ließ er sich schließlich für 20 Monate bei der Bundeswehr verpflichten: Er war fasziniert von Kriegsfilmen und wollte daher auch zur Bundeswehr. Das erste Jahr gefiel ihm dort gut: Sport, Ausbildung an der Waffe und Gehorsam wären sein Ding gewesen. Als er jedoch feststellte, dass seine Kameraden keine ähnlich disziplinierte Einstellung hätten, sank seine Motivation für die Bundeswehr.

Deshalb habe er am 18./19. Juli die Bundeswehr verlassen und sei nach Norwegen abgehauen, weil er dort schon immer hinwollte. Zur Tat selbst machte er gegenüber der Sachverständigen der Jugendgerichtshilfe keine Angaben, er wolle sich darüber nicht äußern.

"Selbstverliebt und selbstüberschätzt"

Die Sachverständige der Jugendgerichtshilfe schätzt ihn als "selbstverliebt und selbstüberschätzt" ein: "Er traut sich alles zu." Nach der Bundeswehr wären seine Pläne gewesen, Physik oder Astrophysik zu studieren. Er betonte gegenüber der Sachverständigen der Jugendgerichtshilfe immer wieder, dass er als intelligent wahrgenommen werden will. Nach eigenen Angaben habe er einen IQ von 134 und behauptet "Ich bin eine starke Persönlichkeit".

Vater sei "für alles" verantwortlich

Enge Freunde habe er nie gehabt, mit Drogen habe er nur während der Zeit im Obdachlosenheim zu tun gehabt - geringe Mengen an Kokain und Marihuana, danach jedoch nicht mehr. Auch Alkohol hätte keine große Rolle in seinem Leben gespielt. Im April 2014 hätte er für kurze Zeit eine Freundin aus Traunreut gehabt, diese sei ihm jedoch zu verwöhnt und ihm intellektuell nicht gewachsen gewesen. Die Sachverständige: "Für alles macht er seine Familie und seinen Vater verantwortlich. Ohne die würde er jetzt nicht hier sitzen."

Nun geht es weiter mit den ersten Zeugen.

Nur Jugendstrafe für Christoph R.?

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Der schockierende Fall hat das Interesse zahlreicher Medien geweckt. © Patrick Steinke

Es werden elf Verhandlungstage, an denen eine der grausamsten Taten der vergangenen Jahre in der Region geklärt werden soll: Hat der Ex-Soldat Christoph R. in der Nacht auf den 14. Juli 2014 einen Mann erstochen und einer jungen Frau mit dem Messer das Augenlicht auf einer Seite geraubt? Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord und versuchten Mord in Tateinheit mit besonders schwerer Körperverletzung vor. Am 20. Mai soll ein Urteil fallen.

Christoph R. war damals 20 Jahre alt. Jung genug, um mit Jugendstrafe davonzukommen, falls er schuldig gesprochen wird? Am Traunsteiner Landgericht wird vor der Jugendkammer verhandelt, weil er als Heranwachsender gilt. Am Tag vor Prozessbeginn wird Christoph R. 21 Jahre alt. "Ob Jugendstrafrecht angewandt wird, wird aber erst im Verfahren zu klären sein", so Gerichtssprecher Tobias Dallmayer.

Gezielte Stiche ins Auge

Vergangene Woche wurden weitere, schockierende Details der Tatnacht bekannt: Mit einem 30 Zentimeter großen Kampfmesser der Bundeswehr soll der Verdächtige auf die Köpfe seiner Opfer eingestochen haben - allein rund 30 Mal auf einen 72-jährigen Malermeister. Er starb an zentraler Lähmung, weil lebenswichtige Teile seines Gehirns zerstört wurden. Das 17-jährige zweite Opfer überlebte schwer verletzt und ist seit der Tat auf dem linken Auge blind.

Staatsanwalt glaub: Reine Mordlust

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© Patrick Steinke

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass sich der ehemalige Soldat aus reiner Mordlust auf seinen nächtlichen Trip durch die Kurstadt begab. Zwischen beiden Taten lag etwa eine halbe Stunde. Besonders dreist: Nur wenige Minuten, nach den ersten tödlichen Stichen auf den 72-Jährigen, soll Christoph R. noch vor Passanten geprahlt haben, dass er gerade einen Menschen umgebracht habe.

Der Tatverdächtige floh schließlich nach Norwegen und wurde dort gut drei Wochen nach der WM-Finalnacht festgenommen. Im Oktober 2014 lieferten ihn die Behörden nach Deutschland aus. Auf die Spur kam die Polizei durch Hinweise aus der Bundeswehr. Sein Anwalt Harald Baumgärtl geht davon aus, dass Christoph R. auch im Prozess schweigen wird. Die Verhandlung beginnt um 9 Uhr, BGLand24.de wird aus dem Gerichtssaal berichten und Sie auf dem Laufenden halten.

Aus unserem Archiv

Fotos vom Tatort

Video: Pressekonferenz zur Festnahme des Tatverdächtigen

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