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Das neue Country heißt Americana

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Avett Brothers
The Avett Brothers bei ihrem Auftritt beim Tonder-Festival 2016 in Dänemark. © Matejka/dpa

München - Während sich die Country-Musik zunehmend dem Pop und dem Rock zuwendet, finden traditionelle Künstler im noch jungen Genre Americana ihre musikalische Heimat. Die rustikale Stilrichtung stößt auch in Deutschland auf wachsenden Zuspruch.

Die Country-Musik hat viele Jahre lang unter einem wenig attraktiven Image gelitten: Sie stand für eine erzkonservative Gesinnung und für weinerliche Lieder, die sich zu häufig um staubige Landstraßen, Pick-Ups und kaltes Bier drehten. Country war das Gegenteil von hip. Das hat auch die Musikbranche erkannt - und entsprechend reagiert.

Die eher eindimensionale Musikrichtung wurde geöffnet, harte Rock-Gitarren, donnernde Schlagzeugklänge und sogar rappende Countrysänger flossen in das traditionell behäbigere Klangbild ein. Die Folge: Country konnte sein konservatives Image zwar ein Stück weit abstreifen - verlor dabei aber auch einen guten Teil seiner musikalischen Identität.

Dieses entstandene Vakuum füllt seit Anfang des neuen Jahrtausends die neu entstandene Musikrichtung Americana - ein musikalisches Auffangbecken, nicht nur für traditionelle Country-Musiker. „Folk-, Rock'n'Roll-, Blues- und Rhythm&Blues-Musiker finden im Americana ihre Heimat“, sagt Jed Hilly, Chef der 1999 gegründeten Americana Music Association (AMA). Musiker, welche demnach die „schöne Kunst“ der „kommerziellen Kunst“ vorziehen und die sich in ihren Songs auf amerikanische Traditionen beziehen. Wie sehr sich die heutige Country-Musik mittlerweile von ihrem angestammten Terrain entfernt hat, zeigt sich daran, dass heute nach Ansicht von Hilly selbst Genre-Pioniere wie Johnny Cash und Hank Williams typische Americana-Künstler wären.

Aus dem kulturellen Zufluchtsort für heimatlose Roots-Musiker ist mittlerweile eine - auch kommerziell - attraktive Stilrichtung geworden. So landeten im Oktober 2016 gleich vier Americana-Alben in den Top-10 der amerikanischen Billboard-Charts: Bon Ivers „22, A Million“, Bob Weirs „Blue Mountain“, Van Morrisons „Keep Me Singing“ und „American Band“ von den Drive-By Truckers.

Damit war ironischerweise erstmals das auf nicht-kommerziellen Kriterien basierende Genre der Umsatz-Primus in der Bestenliste. Für Jed Hilly „ein Meilenstein“. Es beweise, dass es für qualitativ hochwertige Musik einen großen Markt gebe und dass sich künstlerische Glaubwürdigkeit langfristig auszahle. Auch in barer Münze.

Die auch in Deutschland auf eine große Fangemeinde zählenden Avett Brothers dürften da wohl kaum widersprechen. Immerhin erreichte jedes ihrer letzten drei Alben die Top 5 der amerikanischen Hitparade. Und ihr letztes, das 2016 von Johnny-Cash-Produzent Rick Rubin in Szene gesetzte Album „True Sadness“, gilt als erfolgreichstes Americana-Album des letzten Jahres. Mit dem Etikett Americana kann Sänger Scott Avett gut leben: „Ich mag es. Es ist dehnbar und sehr einschließend. Letztendlich scheint es aber ein anderes Wort für Folk oder Countrymusik zu sein. Für akustische Musik, die sehr mit der Arbeiterklasse verbunden ist.“

Auch wenn immer häufiger Americana-Künstler wie Chris Stapleton, The Cadillac Three und Kacey Musgraves nach Deutschland kommen, hat sich hier der Genre-Begriff noch nicht etabliert. Das meint zumindest Rainer Zellner. Seit acht Jahren organisiert der aus Tübingen stammende Musik-Enthusiast das „Bluegrass Jamboree - Festival of Bluegrass & Americana Music“, eine 24 Stationen umfassende Tournee mit amerikanischen Roots-Musikern.

„Wir erkennen ganz klar ein steigendes Interesse. Die Zuschauerzahlen wachsen und von den Medien werden wir langsam ernst genommen“, sagt Zellner. Mit dem Begriff Americana hat er allerdings seine Probleme: „Das mag in Amerika gut funktionieren, da steht man dem Ausdruck tolerant gegenüber, da weiß man, dass es sich dabei um Country für Musikliebhaber handelt. Für den deutschen Markt braucht es aber eine klarere Definition.“ Außerdem gebe es noch eine heikle politische Komponente: amerikanische Musik gelte als „Imperialisten-Musik“, was mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump nicht besser werde.

Deshalb rückt Zellner bei der Bewerbung seiner rund 6500 Zuschauer zählenden Tourneen ein anderes Motto in den Mittelpunkt: „Es geht um die akustischen Wurzeln der Musik. Das Handgemachte, die Emotionen - das verstehen die Leute.“

dpa

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