Ministerpräsident im Interview
„Diese Partei spaltet“: CDU-Mann Kretschmer mit klarer Absage an AfD
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2019 ist Wahljahr in Sachsen, dabei könnte die AfD stärkste Kraft werden. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer steht unter Druck.
In einem halben Jahr wählt Sachsen einen neuen Landtag. Deutschland starrt gebannt auf den Termin am 1. September – bei der Bundestagswahl lag in Sachsen die AfD vorne. Kippen die politischen Verhältnisse im Osten? Der junge Ministerpräsident Michael Kretschmer, mit seiner CDU in Umfragen unter 30 Prozent, steht unter Druck. Wir haben ihn am Wochenende getroffen.
Die Sachsen sind mutig, neugierig und sehr heimatliebend.
Angst vor der AfD? „Unzufriedenheit war groß“, meint Kretschmer
Das ist die falsche Beschreibung. Es gab eine große Unzufriedenheit damit, dass in Deutschland Dinge passiert sind, die man selbst nicht beeinflussen konnte – die Asyl- und Flüchtlingskrise. Und die Union hat zu lange für die richtigen Antworten gebraucht. Inzwischen haben CDU und CSU beherzt gehandelt und jetzt ordnen wir die Dinge.
Indem wir die Menschen ansprechen, wie sie sind. Und eigene Fehler zugeben. Wir haben in Sachsen beispielsweise bei der Inneren Sicherheit und bei der Lehrerversorgung Fehler gemacht. Das ändern wir gerade mit 1000 neuen Stellen für die Polizei, mit neuen verbeamteten Lehrern, Milliardeninvestitionen in die Schulen und einem Digitalisierungspaket.
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Abgrenzung von Merkels Flüchtlingspolitik? „Haben aus 2015 gelernt“
Die Grünen blockieren uns bei der Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten, das ist unverantwortlich. Die Bevölkerung erwartet diese Entscheidung jetzt, auch vor dem Hintergrund, wie viele Menschen auf der Flucht sterben im falschen Glauben, in Deutschland Asyl zu finden. Auch die Anerkennungsquote aus diesen Staaten ist sehr gering. Der Georgische Premierminister fordert diesen Status nachdrücklich ein.
Es ist notwendig gewesen, zu sagen: Wir haben 2015 Fehler gemacht und daraus gelernt. Damit ist das Thema jetzt aber auch abgeschlossen. Deutschland hat viele Zukunftsaufgaben die unsere Aufmerksamkeit brauchen.
Ich habe da keine Ratschläge. Nur eine andere Meinung.
Kretschmer zu Merkel und GroKo-Debatten
Angela Merkel ist gewählt. Die Fragen zwischen CDU und CSU sind geklärt. Das größte Problem ist eine sehr unentschiedene SPD: Die Jusos würden die Koalition am liebsten sofort beenden, Sigmar Gabriel und Martin Schulz haben offene Rechnungen mit der Parteiführung, die Machtfrage um Andrea Nahles ist nicht geklärt. Das merkt man dieser Koalition an: In der Groko 2005 gab es Grundvertrauen und Teamgeist. Das fehlt dieser Regierung, sie ist nicht mit sich im Reinen. Das ist schädlich in einer Zeit, in der wir von Populisten umgeben sind.
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Das ist zu einfach gedacht. Wir erleben seit viereinhalb Jahren im Landtag, wie abschätzig die Abgeordneten über Demokratie und Freiheit reden, wie sie über Grundwerte herziehen. Diese Partei spaltet. Das gilt auch für die Linkspartei, die in Sachsen zunehmend Richtung autonome Szene abrutscht. Als Partei, die für Freiheit und Marktwirtschaft steht, können wir mit solchen Personen nicht gemeinsam regieren.
„Dürfen nicht über jedes AfD-Stöckchen springen“
Nein, weder noch. Nicht über jedes Stöckchen springen, nicht auf jede Provokation eingehen, nicht zum Märtyrer machen – von dieser Aufregung profitiert die AfD. Sondern: Ruhig klarmachen, wo demokratische Grenzen sind. In der Sache sollten wir argumentieren. Die AfD zeigt in allen Landtagen: Sie entzaubert sich, weil sie keine Antworten liefern kann.
Das tue ich Grundsätzlich nicht. Dann wäre ja kein Gespräch mehr möglich – aber wir müssen unbedingt mehr miteinander statt übereinander reden.
„Koalition mit AfD oder Linkspartei ist ausgeschlossen“, verspricht der CDU-Politiker
Nein, das sehe ich nicht. Aber wir müssen jetzt schon für ein Ergebnis kämpfen, bei dem am Ende eine stabile Regierung stehen kann.
Es ist noch nicht Wahltag. Die Frage ist auch nicht, was ich wagen würde, sondern wozu die Menschen mich verpflichten. Ein Wahlergebnis sucht sich seine Regierung. Demokratische Parteien müssen Koalitionsfähig sein. Nur mit AfD und Linkspartei habe ich das ausgeschlossen. Sie sind als ostdeutscher Ministerpräsident offen für eine Soli-Abschaffung. Warum? Weil das Geld nicht für den Solidarpakt verwendet wird, sondern mittlerweile eine Steuer ist. Wir erleben in Berlin, wie das Geld mit großer Begeisterung für neue Leistungsgesetze und vermeintliche Wohltaten ausgegeben wird. Man muss dieser Koalition Einhalt gebieten. Politik ist mehr als Geld ausgeben. Das Verhältnis des Vernünftigen ist überschritten, der Staat will viel zu viel mit Sozialleistungen und Gesetzen lösen.
Steht Ihnen die Söder-CSU näher als die Merkel-CDU, Herr Kretschmer?
Ich finde das nicht in Ordnung. Die Leistungsträger in unserem Land, die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, sind eben auch die anderen zehn Prozent. Da geht’s bereits um den Tischler mit ein paar Angestellten.
Auch, jedoch in anderer Ausprägung. In Leipzig und Dresden haben wir wachsende Städte. Wir wollen die Metropolen entwickeln, ÖPNV verbessern, schnelleres Bauen im Außenbereich ermöglichen.
Ich bin sehr gerne CDU-Mitglied. Aber es ist kein Geheimnis, dass die Sächsische Union eine sehr enge Verbindung zur CSU pflegt.
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Was macht AKK besser als Merkel? „Sie weiß, wie das Volk denkt“
Sie ist eine kluge Frau, sieht die Dinge mit ganz großer Klarheit. Sie weiß sehr genau, wie das Volk denkt – bei der Flüchtlingspolitik, Innerer Sicherheit und Sozialpolitik. Das ist schon sehr hilfreich.
Er ist herzlich willkommen. Die ostdeutschen Landesverbände haben ja zum überwiegenden Teil Merz gewählt. Seine Stimme ist sehr gewünscht.
Gar nicht. Es war sehr anstrengend, ein Jahr an der Belastungsgrenze. Aber es lohnt sich. Wir haben am ersten Tag den Autopiloten ausgeschaltet und beherzt eingegriffen.
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Während der Wahlkampf in Sachsen in die heiße Phase geht, gibt es dort Ärger wegen Wahl-Plakaten. Eine Stadt hatte bestimmte Plakate einer Partei zur Sachsen-Wahl abgehängt, als hoher Besuch ins Haus stand.