Update vom Mittwoch, 26.01.2022, 18.05 Uhr: Das Warten auf den internen Bericht zu den mutmaßlichen Lockdown-Partys im britischen Regierungssitz dauert mindestens bis Donnerstag (27.01.2022). Nachdem das Unterhaus am Mittwoch seinen Sitzungstag am Abend beendet hatte, wurde nicht mehr mit einer Veröffentlichung am selben Tag gerechnet. Premierminister Boris Johnson hatte zugesagt, sich unmittelbar nach dessen Publikation vor den Abgeordneten zu äußern.
Erstmeldung: London – Die Affäre um Boris Johnsons Lockdown-Partys im Regierungssitz in der Downing Street ist bestimmendes Thema in den britischen Medien und bei der Bevölkerung. Nun rückt die Aufklärung der Vorkommnisse näher. So könnte am Mittwoch (26.01.2022) der Untersuchungsbericht, für den die Spitzenbeamtin Sue Gray über Wochen Beweise gesammelt und Zeugen befragt hat, der Öffentlichkeit vorgelegt werden, wie britische Medien berichten.
Der Premierminister Großbritanniens muss sich an diesem Mittwochnachmittag unbequemen Fragen im Londoner Unterhaus stellen. Auch die Polizei teilte am Dienstag mit, sie werde in dem Fall ermitteln. Die Liste der mutmaßlich illegalen Zusammenkünfte in der Downing Street ist lang geworden: mehrere Weihnachtsfeiern, eine Geburtstagsrunde, eine Gartenparty und nächtliche Trinkgelage unmittelbar vor dem Begräbnis von Prinz Philip*.
Der von Sue Gray angefertigte Bericht soll klären, wer wann wo, wie oft und wie lange mit wem gefeiert hat. Nicht weniger als Boris Johnsons politisches Überleben hängt von den Ergebnissen der Ermittlungen ab. Rund ein halbes Dutzend Tory-Abgeordnete haben bereits öffentlich den Rücktritt des Premiers gefordert. Viele andere wollen zunächst den Bericht abwarten. Dem Premier droht je nach Ergebnis ein Misstrauensvotum*.
An einen Rücktritt denkt der britische Premier jedoch nicht. Das sagte der konservative Regierungschef am Mittwoch letzter Woche während der Fragestunde im Parlament nach einer entsprechenden Aufforderung von Oppositionschef Keir Stramer von der Labour-Partei.
Schon im Vorfeld der Vorstellung des Untersuchungsberichts zeichnet sich ein Streit um das Ausmaß der Veröffentlichung ab. Liz Truss, britische Außenministerin, deutete im Interview mit dem Sender Sky News am Mittwochmorgen an, je nach Inhalt könne es „Sicherheitsbedenken“ geben, die eine komplette Veröffentlichung problematisch machen könnten. Die Ergebnisse werde man aber definitiv veröffentlichen.
Angela Rayner, Vize-Oppositionschefin, hatte am Dienstag bereits im Londoner Unterhaus gefordert, der Bericht müsse vollständig öffentlich gemacht werden. Der Bericht soll der Financial Times zufolge keine Details wie Fotos oder Whats-App-Nachrichten enthalten, sondern die Fakten zusammenfassen. Das Portal Politico spekulierte, die Opposition könnte eine umfassendere Version fordern. Nicht abwegig, zumal der Sender Sky News berichtete, es lägen Party-Fotos von Boris Johnson mit Weinflaschen vor.
Den Bericht der als kompromisslos und unbestechlich geltenden Beamtin Rayner, die im Kabinetts-Büro (Cabinet Office) der britischen Regierung angesiedelt ist, soll Johnson zuerst bekommen und dann wenige Stunden später der Öffentlichkeit vorlegen müssen. Erwartet wird, dass Johnson sich erneut wortreich entschuldigt und eine weitreichende Reform der Trinkkultur in der Downing Street* ankündigt – fest entschlossen, sein politisches Überleben zu retten. Er begrüßte die Ermittlungen der Polizei am Dienstag und sagte, sie würden helfen, einen „Schlussstrich“ unter die Angelegenheit zu ziehen.
Abzuwarten bleibt, ob der Bericht auch so ausfällt, wie Johnson es sich vorstellt. Weitaus spannender als die Ergebnisse der großen Aufklärung der Party-Gate-Affäre dürften die Reaktionen innerhalb Johnsons Fraktion werden. Sofern mindestens 15 Prozent der konservativen Abgeordneten – das sind 54 Parlamentarier – ihm das Misstrauen aussprechen, muss sich der Premier einer Abstimmung stellen.
Wie viele geheime Briefe bislang bei Graham Brady, dem Vorsitzenden des zuständigen Komitees eingegangen sind, weiß außer Brady selbst bislang niemand. „Ich brauche nicht Sue Gray oder die Polizei, um mir oder meiner Wählerschaft in Harlow zu sagen, dass das, was passiert ist, ziemlich schlimm war“, sagte Johnsons Parteikollege Robert Halfon am Mittwoch im Times Radio – und forderte den Premier auf, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. (lz/dpa) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.