Einsame Weiten in Schweden

Abisko - Am Rastplatz knistert ein Lagerfeuer, der Wanderer stochertnach einer Kartoffel. So ist die Wildmark-Romantik im Nationalpark Abisko, 200 Kilometer nördlich des Polarkreises.
Schwarzblau gurgelt der Fluss in Richtung Tal. Grellgrün leuchten die Birkenblätter, karminrot die Flechte auf dem Granitbrocken und azurblau der Himmel, an dem die Abendsonne noch hoch über dem Horizont steht.
Der Nationalpark Abisko, 200 Kilometer nördlich des Polarkreises wurde 1909, also vor 100 Jahren, eingerichtet. Dieses Jubiläum feiert Schweden, das damals als erstes Land in Europa Nationalparks schuf, nun mit einem "Jahr der Natur".

Der Rauch am Rastplatz hält die Moskitos fern. Von denen gibt es hier eindeutig einige Millionen zu viele. Culex vulgaris, die gemeine Stechmücke, summt in gewaltigen Schwärmen durch den Nordland-Sommer. Neben ihr sind auch Bremsen, Fliegen, Kriebelmücken und andere fiese Schwirrgeister unterwegs.
Doch wer in Lappland wandern geht, der weiß das und sorgt vor: Mit Kleidung, durch die kein Saugrüssel sticht, mit Abwehrsprays und mit einem Wildnishut samt Netz vor dem Gesicht.

In Abisko sind Elche und Rentiere mit hoher Wahrscheinlichkeit zu sehen, mit etwas Glück zeigen sich Polarfuchs oder Auerhahn, Luchs oder Vielfraß. Auch Bären und Wölfe streifen durch den Park. Für den Besucher aus Mitteleuropa ist eine Lappland-Tour aber auch ohne ein solches Rendezvous mit einem Raubtier Abenteuer genug: Er watet durch eisige Flüsse, spürt 15 Kilo Gepäck am Rücken, trinkt aus Quellen und stapft im Dauerregen durch die menschenleere Wildmark.
Schwedens wohl bekanntester Wanderweg, der 440 Kilometer lange "Kungsleden", beginnt in Abisko. Abgesehen von einigen samischen Rentierzüchtern, leben in der Fjällregion fast keine Menschen. Doch der Weg ist gut markiert, Bohlenwege führen über sonst kaum passierbare Moore, und Brücken überspannen reißende Wasserläufe. Außerdem sind da die bewirtschafteten Hütten, immer schön einen Tagesmarsch voneinander entfernt. Dort gibt es trockene Schlafplätze, warme Suppen, kaltes Bier und Proviant für unterwegs.
Auch für kürzere Fjälltouren ist Abisko ein guter Ausgangspunkt. Hier starten kleinere Wanderwege, ein Sessellift fährt auf den Berg Nuolja.
Dort, oberhalb der Baumgrenze in 900 Metern Höhe, zeigt sich Lapplands Bergwelt in ihrer ganzen Weite: Unten dehnt sich der See Torneträsk nach Osten aus, zwischen den Gipfeln liegen Sümpfe, Moore, Flüsse, Kiefernwälder und Birkenhaine. In der Gegend leben noch immer viele Menschen von der Rentierzucht. Doch statt wie früher mit Skiern und Schlitten treiben sie die Tiere heute mit Helikoptern und Schneemobilen zusammen. Und ihre Rentierfell-Jurten haben sie gegen Blockhäuser mit Elektroheizung und Flachbild-TV eingetauscht.
Abisko-Nationalpark:
Der 77 Quadratkilometer große Abisko-Nationalpark liegt etwa 1300 Kilometer von Stockholm entfernt in Schwedisch-Lappland. Bis zur Stadt Narvik in Norwegen sind es 86 Kilometer. Wegen der Mitternachtssonne wird es von Ende Mai bis Mitte Juli nicht dunkel.
Wer die wirklich wilde Wildnis sucht, kann von Abisko aus nach Vadvetjåkka gelangen. Schwedens nördlichster Nationalpark ist nur 25 Quadratkilometer groß und liegt im Hochgebirge direkt an der Grenze zu Norwegen. Es gibt keine Pfade, Brücken oder Hütten, und nur wenige Besucher verirren sich hierher. Sie müssen sechs Kilometer durch unmarkiertes, sumpfiges Gelände vordringen, um den Park zu erreichen.
Am Lagerfeuer ist inzwischen die Folienkartoffel gar. Dazu gibt es Elchsalami und ein Dosenbier, im Fluss gekühlt. Das Moskitonetz ist heruntergeklappt, die Sonne scheint noch immer, der Schlafsack ist schon ausgerollt. Es wird Zeit zum Ausruhen für einen neuen Tag voller Abenteuer in der Wildnis von Schwedisch-Lappland.
dpa