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Warum sich der Haager Autor Ludwig Meindl die Zeit nimmt für die Zeit

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Von: Heike Duczek

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Ludwig Meindl hat ein Buch über das „Phänomen der Zeit“ geschrieben.
Ludwig Meindl hat ein Buch über das „Phänomen der Zeit“ geschrieben. © Bauer

Wir arbeiten heute viel weniger als noch vor 100 Jahren. Und doch heißt es oft: keine Zeit! Warum das so ist, erkundet der Haager Autor Ludwig Meindl. Er hat sich die Zeit genommen, ein Buch über die Zeit zu schreiben.

Haag - Er ist Lehrer, Journalist - und Philosoph, doch Ludwig Meindl aus Haag findet, um Philosoph zu sein, muss man nicht so wie er studiert haben: „Philosoph ist jeder, wenn er beginnt, nachzudenken“, ist er überzeugt. Meindl denkt leidenschaftlich gerne und nimmt sich die Zeit dafür. Regelmäßig legt er im Alltag Phasen der Meditation ein, in denen er „konzentriert nachdenkt“. „Geistige Inhalte pflegen“, so nennt er diesen Prozess auch.

Ein Thema, das ihn dabei seit vielen Jahren beschäftigt: das Rätsel der Zeit, die heutzutage anscheinend immer weniger wird und gerade deshalb so begehrt ist. Warum haben viele Menschen das Gefühl, die Tage, Wochen, Monate, ja sogar Jahre würden vorbeijagen? Warum sind wir so oft gestresst? Zeit ist relativ, hat der 71-Jährige bei seinen Recherchen zum Buch festgestellt. „Wer sie sich bewusst nimmt, hat sie auch.“ Und entwickle dann ein neues Bewusstsein für das Leben außerhalb des Materiellen, ist der freie Mitarbeiter der Wasserburger Zeitung überzeugt. Kritisch geht er in seinem Buch „Das Phänomen der Zeit“ mit Zeitfressern um - sogar mit den Medien, für die er auch schreibt. Die Nachrichtenflut, findet Meindl, „hält uns auf Trapp“. Wer ständig auf sein Handy schaue, verplempere viel Zeit. Selber denken statt nur konsumieren, lautet der Appell des Haager Chronisten.

Geistige Neu-Orientierung

Dabei scheut er sich auch nicht, Erkenntnisse aus der Anthropologie einfließen zu lassen. Rudolf Steiners spirituelle Weltanschauung ist für Meindl eine viel zitierte Schatzkammer der Erkenntnisse. In seinem Buch führt er auch den viel kritisierten, umstrittenen Bergsteiger, Autor und Yogalehrer Heinz Grill als Quelle heran. „Seine Person wird oft missbilligt“, räumt Meindl ein. Und gibt zu, dass auch er die Gefahr sieht, dass sich Menschen bei allzu intensiver Beschäftigung mit der Anthroposophie und ihren Anhängern in der Esoterik verlieren könnten.

Doch Meindl ist der Überzeugung, in den Schriften und Aussagen auch Ansätze für Antworten auf die Frage nach dem Sein und der Zeit zu finden. Letztere ist für ihn nicht am Zifferblatt einer Uhr abzulesen, nicht auf dem Tischkalender zu vermerken, sondern in einer geistigen Welt vorhanden. Hier könne der Einzelne die Zeit mitbestimmen, hier entstehe die Freiheit, sich für das Nachdenken die Zeit zu nehmen, sich quasi in eine andere seelisch-geistige Bewusstseinsstufe hinein zu katapultieren. Eine Flucht vor der Realität? Meindl sagt: „Nein, ein geistige Neu-Orientierung, in deren Folge die Gedanken das Sein bestimmen könnten.“

Kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist

Diesen Prozess hat Meindl schon mehrfach vollzogen und niedergeschrieben: Er hat auch ein Buch über „Der Mensch am Scheideweg“ geschrieben, das sich dem Menschenbild von der Antike bis heute widme. Allen gemeinsam: eine kritische Auseinandersetzung mit dem sogenannten Zeitgeist, ein Appell, sich ihm und dem Materiellen, das in den Augen von Meindl die Quelle aller Hast und Zeitnot ist, nicht unkritisch zu unterwerfen. Schwere Kost ist „Das Phänomen der Zeit“ nicht, die Ausführungen zur technischen Beschleunigung, zur Digitalisierung und zur Naturentfremdung beinhalten Aussagen, denen sich wohl jeder reflektierende Mensch der Moderne anschließen kann. Nur die intensive Beschäftigung mit der Anthroposophie und ihren nicht immer unumstrittenen Protagonisten hätte es wohl nicht gebraucht, um sich die Zeit für das Phänomen Zeit zu nehmen.

Die nächste philosophische Abhandlung ist übrigens schon in Arbeit: Heuer erscheint von Meindl noch das Buch „Im Namen der Wahrheit“.

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