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„Work-Life-Balance“? Wie die Stadt Bad Aibling gegen den Fachkräftemangel ankämpfen will

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Von: Nicolas Bettinger

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Eine junge Frau arbeitet im Homeoffice. Möglichkeiten wie diese, sollten unter anderem laut den Stadträten Michael Krimplstötter (oben) und Sebastian Uhl zur Attraktivitätssteigerung des Arbeitsplatzes beitragen – aber auch das Gehalt.
Eine junge Frau arbeitet im Homeoffice. Möglichkeiten wie diese, sollten unter anderem laut den Stadträten Michael Krimplstötter (oben) und Sebastian Uhl zur Attraktivitätssteigerung des Arbeitsplatzes beitragen – aber auch das Gehalt. © Britta Pedersen (dpa)/re/Fotomontage

Die Stadt Bad Aibling will durch bessere Bezahlung ein attraktiverer Arbeitgeber werden. Doch das reicht in Zeiten des Fachkräftemangels beileibe nicht aus, warnen einige Stadträte. Warum ein „Zuckerl“ viel ausmacht und wie Homeoffice den Haushalt rettet.

Bad Aibling – Als Arbeitgeber will die Stadt Bad Aibling ihren 200 Mitarbeitern künftig mehr Geld bezahlen. Das Budget hierfür soll in diesem Jahr um ein Prozent steigen, 2024 um zwei Prozent. Hierfür sprach sich der Aiblinger Stadtrat mit einer großen Mehrheit aus. Doch reicht das in Zeiten des Fachkräftemangels? Die Antwort zahlreicher Stadträte lautet hierauf ganz klar: „Nein“. Deshalb müssten weitere Anstrengungen unternommen werden, um zum einen die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu erhöhen, sprich Mitarbeiter zu binden. Zum anderen sollen auch neue Angestellte gewonnen werden. Denn der Fachkräftemangel macht auch vor den Kommunen nicht Halt.

Dabei machten ein paar Euro mehr auf dem Gehaltszettel tatsächlich häufig das gewisse „Zuckerl“ aus, weshalb sich Bewerber für einen Arbeitgeber entscheiden, erklärte Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) „Das haben wir in einigen Vorstellungsgesprächen schon erlebt.“ Auch deshalb stand die „Schaffung von Anreizen zur Attraktivitätssteigerung als öffentlicher Arbeitgeber“ auf der Agenda.

Bad Aibling „in Zugzwang geraten“

Aktuell kommt die Stadt ihrer Verpflichtung zur Auszahlung des Leistungsentgeltes, einer Art Leistungsprämie, nach den Regelungen des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes nach. So werden zwei Prozent des zur Verfügung stehenden Gesamtvolumens dafür ausgegeben.

Im Oktober vergangenen Jahres legte der kommunale Arbeitgeberverband Bayern tariflich fest, dass das entsprechende Budget freiwillig auf vier Prozent durch den Arbeitsgeber erhöht werden kann. Ergänzt wurde dieser Beschlusses durch eine Erweiterung, wonach das Budget ganz oder teilweise für Maßnahmen verwendet werden könne, die zur Verbesserung der Arbeitsplatzattraktivität, der Gesundheitsförderung oder der Nachhaltigkeit dienen.

„Die Stadt Bad Aibling ist durch eine Reihe von Maßnahmen der umliegenden Gemeinden und auch in Bezug auf die Attraktivitätssteigerungen der öffentlichen Arbeitgeber im Umland München in Zugzwang geraten“, teilte die Stadtverwaltung nun mit. So werde derzeit aufgrund gesetzlicher Regelungen die sogenannte Ballungsraumzulage bis zur Gemeinde Feldkirchen-Westerham oder Tuntenhausen gezahlt. Weiterhin haben viele umliegenden Gemeinden Gebrauch davongemacht, das besagte Budget auf vier Prozent zu erhöhen.

Maßnahme trotz angespannter Finanzsituation?

Auch deshalb schlug die Verwaltung dem Stadtrat vor, „trotz der sich abzeichnenden Anspannung der Finanzsituation der Stadt und den zu erwartenden deutlichen Lohnsteigerungen“ das Budget im Jahr 2023 auf ein Prozent festzusetzen und ab 2024 auf zwei Prozent zu erhöhen. Die veranschlagten Mehrkosten betragen dadurch in diesem Jahr rund 50.000 Euro, 2024 etwa 100.000 Euro.

„Aufgrund der angespannten Haushaltslage halte ich das allerdings nicht für umsetzbar.“

Stadtrat Florian Weber (Bayernpartei)

Stadtrat Sebastian Uhl (Grüne) erkundigte sich, ob das Geld auch für andere Anreize eingesetzt werden könne, etwa für Kaffeeküchen oder Jobräder. So gäbe es auch andere Möglichkeiten, als nur Geld auf den Tisch zu legen. „Dieser Punkt ist tatsächlich nur monetär“, erklärte Bürgermeister Schlier. Offen sei man dennoch, auch durch andere Maßnahmen die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu erhöhen.

Kommunen suchen händeringend Personal

„Die Kommunen suchen händeringend nach Personal“, betonte SPD-Stadtrat Richard Lechner. Gerade Bereiche wie Kindergärten seien extrem stark betroffen und man stehe in einem Konkurrenzkampf mit anderen Städten und Gemeinden. „Deshalb muss man hier auch mit der Zeit gehen“, sagte Lechner, auch wenn die Maßnahme nur einen geringen Prozentsatz betreffe. Auch hinsichtlich der allgemein steigenden Preise sei die Zulage geeignet, „auf das schauen die Leute nun mal“, so Lechner.

Auch in den Augen von Michael Krimplstötter (CSU) ist der Fachkräftemangel ein großes Problem. Die Lage, in der sich Bereiche wie Kindergärten jetzt schon befänden, werde auf die Verwaltung erst noch zukommen. „Deshalb ist es wichtig, die Attraktivität zu steigern aber vor allem auch, die Mitarbeiter zu halten“, betonte Krimplstötter. Er trage die angestrebten Erhöhungen mit, wünsche sich aber – ähnlich wie Uhl –, „dass man noch kleinere Benefits ins Auge fasst“. Zudem warf er Themen wie „verbilligte Mitarbeiterwohnungen“ oder die Hilfe beim Umzug in den Raum. Und: „Um die Angestellten zu binden, brauchen wir flexible Arbeitszeiten für die Work-Life-Ballance“, so der CSU-Stadtrat.

„Wie soll ich meinen Haushalt sonst hinbekommen?“

„Das Personal ist das Kapital der Kommune“, betonte Grünen-Stadträtin Martina Thalmayr. Zwecks Angestelltenbindung wünsche sie sich eine anonyme Mitarbeiterbefragung, um zu evaluieren, wo man als Arbeitgeber stehe. Klar sei: „Eigentlich ist Bad Aibling ein super toller Arbeitsplatz, nah an den Bergen, ein hoher Freizeitwert.“ Ähnlich wie Michael Krimplstötter meinte aber auch sie, dass das nicht mehr ausreiche. „Für junge Mitarbeiter sind Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice wichtige Faktoren.“

Thalmayr kenne Aussagen wie „ich weiß gar nicht, wie ich ohne Homeoffice meinen Haushalt hinkriegen soll“. Auch wenn ältere Generationen andere Vorstellungen von der Arbeitswelt hätten, müsse man sich an die Anforderungen der heutigen Zeit anpassen. „Denn wenn sich die Leute hier wohlfühlen, werden auch viele nachziehen“, ist sich Thalmayr sicher.

„Es ist immer Luft nach oben“, gab Bürgermeister Schlier zu. In Sachen Homeoffice etwa habe man zuletzt aber eine Vereinbarung mit dem Personalrat getroffen, wonach dies auch nach Möglichkeiten genutzt werden könne. Auch für Kirsten Hieble-Fritz (ÜWG) könnten kleine Maßnahmen den Ausschlag geben, neue Mitarbeiter zu gewinnen. So befürwortete auch sie „Dinge wie Homeoffice“ oder eine „Umzugspauschale“. Klar sei aber auch, dass man in der generell angespannten Situation keine Wohnungen „herbeizaubern“ könne.

Wie entscheidet der Stadtrat über das Vorhaben?

Da die Stadt in Konkurrenz mit anderen Kommunen steht, sollte man „die Möglichkeiten im öffentlichen Dienst auch nutzen“, sprach AfD-Stadtrat Andreas Winhart die von der Verwaltung vorgeschlagene Maßnahme an. Alles andere stehe derzeit nicht zur Debatte. Winhart weiter: „Die Bindung der Mitarbeiter ist natürlich besser, als immer wieder von vorne anzufangen.“

Indes sah auch Florian Weber (Bayernpartei) die Notwendigkeit diverser Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung. „Aufgrund der angespannten Haushaltslage halte ich das allerdings nicht für umsetzbar“, weshalb er dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen könne. Letztlich gab das Stadtratsgremium dennoch mit 20:2 Stimmen grünes Licht.

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