Gut gemeint, schlecht geplant
Grundsicherung für Ukraine-Flüchtlinge: OB März und Landrat Lederer warnen vor Konsequenzen der Neuerung
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Rosenheim – Drohen Nachteile für die Versorgung der Menschen aus der Ukraine? Schlecht vorbereitet sehen Politiker eine Neuerung, die nach dem Willen der Bundesregierung schon am 1. Juni in Kraft treten soll. Demnach sollen Ukrainer künftig mehr Geld erhalten. Doch für die Kommunen kommt der Vorstoß mit Problemen.
Ab Juni haben sie – anders als nicht anerkannte Flüchtlinge beispielsweise aus Syrien oder Afghanistan – Anspruch auf die Grundsicherung. Vereinfacht gesagt können sie ab 1. Juni Hartz IV erhalten. Hintergrund ist die Änderung der Rechtsgrundlage für die Unterstützung der Geflüchteten. Bislang wird sie nach Asylrecht gewährt, künftig aber auf der Grundlage des Sozialhilferechts.
Landrat beklagt fehlende Vorgaben
Diese Neuerung bringe vordergründig Vorteile, sagt Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Die Ukrainer erhalten so mehr Leistungen. „Für die Kommunen wird das jedoch schwierig“, fürchtet er. Wichtige Einzelheiten seien noch nicht geklärt. Auch Landrat Otto Lederer (CSU) wirkt nicht unbedingt froh. Denn dem Landkreis lägen „bisher keinerlei Vorgaben oder Handlungsanweisungen dazu“ vor.
Für die Kommunen stehen hohe Ausgaben zu befürchten, meint Andreas März. Bislang erhalten sie ihre Kosten für die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge erstattet. Das könnte sich ab 1. Juni ändern. Der Bund schießt bedürftigen Ukrainern dann zwar Geld für die Miete zu, allerdings höchstens 75 Prozent. Sollten Freistaat und Bund in dem Punkt keine Einigung erreichen, müssten für den Rest die Kommunen in die Bresche springen.
Was die Kommunen auf einem gestressten Wohnungsmarkt zusätzlich unter Druck setzt: Eine wenn auch nur zeitweilige Unterbringung in Asylbewerberunterkünften kommt nicht mehr infrage – weil Ukrainer keine Asylbewerber mehr sind. „Es ist nicht so, dass wir reihenweise leerstehende Häuser haben“, beteuert OB März.
„Weitreichende Auswirkungen“
Auch das Bayerische Innenministerium spricht von „weitreichenden Auswirkungen“. Wie weitreichend, belegen einige Zahlen. Bislang hat beispielsweise der Landkreis Rosenheim rund 150 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht. 110 weitere werden nach Auskunft von Landratsamtssprecher Michael Fischer in nächster Zeit aus den Hallen in bereits bestehende Container ziehen.
Ob derlei nach dem 1. Juni so ohne Weiteres geht, ist zweifelhaft. Insgesamt befinden sich noch über 400 Menschen in Turnhallen, die ausdrücklich nur als kurzfristige Übergangs-Domizile dienen sollen. Für sie müsste der Landkreis also schnell Wohnungen anmieten oder Geld in die Hand nehmen. Bislang habe der Landkreis rund 2,2 Millionen Euro für ukrainische Geflüchtete ausgegeben, die Krankenhilfe noch nicht eingerechnet, sagt Fischer.
Bis zum 1. Juni sind noch viele Fragen zur Zuständigkeit und Finanzierung zu klären. Ein Mangel, der wiederum die Irritationen der Kommunalpolitiker erklärt. „Die Maßnahme ist nicht zu Ende gedacht“, sagt Mühldorfs Landrat Max Heimerl.
Enormer Aufwand auch für Flüchtlinge
Christian Hlatky koordiniert die Hilfsaktionen rund um die Luitpoldhalle in Rosenheim. Er ist nicht von vornherein gegen die Änderung. Denn, so sagt Hlatky, „grundsätzlich ist zu begrüßen, was zu einer schnelleren und besseren Integration der Menschen beiträgt.“ Andererseits sei der Aufwand groß. Viele der Ukrainer hätten sich schon beim Sozialamt angemeldet. Jetzt müssten sie sich ein zweites Mal melden – beim Jobcenter.
„Ungerecht“ findet es Hlatky, dass Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan diesen Status nicht ohne Weiteres erhalten. Für ihn ist dies ein wichtiger Grund, warum immer noch so viele Menschen aus diesen Ländern in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind – ohne Perspektiven. Auf Plätzen, die man jetzt für Ukrainer benötige.