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Wolf und Bär in der Region: Werden die großen Beutegreifer zur Geißel für die Almwirtschaft?

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Von: Michael Weiser

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„Wolf geht gar nicht“: Von Raubtieren in Kulturlandschaften wie dem Mangfallgebirge hält der Schweizer Biologe Marcel Züger wenig.
„Wolf geht gar nicht“: Von Raubtieren in Kulturlandschaften wie dem Mangfallgebirge hält der Schweizer Biologe Marcel Züger wenig. © dpa_Sina Schuldt/re

Auf die Region Rosenheim kommt einiges zu: In der Schweiz ist die Anzahl der Wölfe förmlich explodiert, berichtete der Biologe Marcel Züger auf einer Veranstaltung der Freien Wähler zum Thema „Wolf und Bär“. Die Zuhörer waren bestürzt.

Flintsbach – Die Freien Wähler luden zur Biologie-Lehrstunde ins Gasthaus Falkenstein nach Flintsbach. Und lösten damit ganz schön Unruhe aus. Um Wolf und Bär ging es, die FW hatten dazu den Biologen Marcel Züger eingeladen, als Mensch aus den Bergen Graubündens ein „gebranntes Kind“, wie er sagte. Er berichtete aus der Sicht eines Schweizers, wie die Angelegenheit mit großen Raubtieren beginnt. Und wie sie enden könnte.

Organisiert hatten den Abend Sepp Hofer und Josef Lausch von den Freien Wählern. Man wolle, so sagte Lausch, „ja eigentlich nur die Diskussion versachlichen“. Wie sich am Ende herausstellte, ist die Sache die: Viele Menschen in der Region Rosenheim können mit Wolf und Bär in der Umgebung nicht viel anfangen. Mehr noch: Sie würden sie am liebsten gar nicht in Mangfallgebirge und Inntal sehen. Erst recht nicht nach den Berichten Zügers.

Marcel Züger: In der Schweiz explodierte die Wolfspopulation

Denn Marcel Züger sprach zwar nüchtern, aber sehr bestimmt. Es komme einiges auf die Region zu. Eine Vorhersage, die er mit der Entwicklung der vergangenen Jahre in Graubünden untermauert.

Seit den 90er Jahren wurden dort vereinzelt Wölfe gesichtet. „Und dann passierte 20 Jahre lang erstmal wenig“, sagte Züger. Bis zum Jahr 2012. Da wurden am Calanda-Massiv, nicht weit entfernt von der Kantonshauptstadt Chur, erstmals Wolfswelpen gesichtet. „Ich hab mich gefreut darüber“, sagte Züger. Ein paar Jahre später sah das anders aus. Da war die Anzahl der Wölfe in der Schweiz förmlich explodiert. „Zuletzt verdoppelte sich die Population alle zwei Jahre.“

Innerhalb von zehn Jahren 23 Rudel

Vor elf Jahren waren es die ersten Welpen, die für Aufsehen sorgten. Mittlerweile ist Wolfsnachwuchs in der Schweiz längst Routine. Mehr als 20 Rudel mit 250 Tieren, teilweise grenzüberschreitend, zählen offizielle Stellen und Naturschutz-Organisationen in der Eidgenossenschaft. Zum Vergleich: So viele Wölfe leben im zehnmal so großen Schweden.

Schon weil der Wolf viel Appetit hat. 250 Hirsche frisst nach seinen Berechnungen ein Rudel von zehn, zwölf Wölfen pro Jahr. Da scheint es angesichts der stark steigenden Anzahl der Raubtiere naheliegend, dass Wölfe auch immer stärker auf Nutztiere losgehen. Und zwar nicht nur auf Schafe und Ziegen. Sondern irgendwann auch auf Rinder, Esel, sogar Pferde.

Der Wolf: Stark, schlau, extrem lernfähig?

Denn der Wolf ist nach Zügers Worten nicht nur ein „Leistungssportler“, er ist auch noch schlau. Wölfe lernen, so berichtete es Züger, im Rudel auch große Tiere anzugreifen. Und sie lernen mit Herdenschutzmaßnahmen umzugehen, seien es Elektrozäune oder Herdenschutzhunde. Nach der Verstärkung der Herdenschutzmaßnahmen seit 2020 sei die Zahl der Risse in Graubünden zunächst gesunken, im Jahr darauf hätten sie sich aber mehr als verdoppelt. Für Züger ein Zeichen für die Lernfähigkeit der Wölfe. Zumal, wenn sie im Familienverband jagen.

Auch in der Schweiz steigt die Nervosität

Die Angaben Zügers ließen sich aktuell (24. Mai) noch nicht komplett überprüfen, unter anderem steht noch die Antwort auf eine Anfrage des Amtes für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden aus. Doch festzustellen ist: Die Zeichen der Unruhe mehren auch bei eidgenössischen Behörden. So hat das Bündener Parlament jüngst (14. Februar) die Regierung aufgefordert, ein ganzes Rudel zum Abschuss freizugeben. Es war laut der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) im vergangenen Jahr mit Dutzenden Angriffen aufgefallen, darunter waren zwei Attacken auf Mutterkühe.

Kann also eine einigermaßen friedliche Co-Existenz von Mensch und Nutztieren auf der einen und von großen Raubtieren wie Wolf und Bär auf der anderen Seite funktionieren? Nein, sagt Züger. Eben weil sich die Tiere nicht abwehren lassen und sich an den Menschen gewöhnen, um dabei dann auch noch neue Techniken zu erlernen. So sei die Zukunft der Almbauern bei einem dauerhaften Zuzug von großen Beutegreifern gefährdet. Und damit die Zukunft vieler ebenfalls streng geschützter Pflanzen- und Tierarten. Daher müssten die Hürden für einen Abschuss abgesenkt werden. Die bayerische Wolfsverordnung, die einen Abschuss schon nach dem ersten Riss oder bei allzu großer Gewöhnung an den Menschen vorsieht, gehe in die richtige Richtung, aber nicht weit genug.

Beifall von den Almbauern

Marcel Züger bekam viel Beifall in Flintsbach. „Bestürzt, fast sprachlos angesichts dessen, was auf uns zukommt“, äußerte sich Florian Griebl, Almbauer aus Samerberg. „Der Wolf muss bejagt werden, wenn er zu nah an den Menschen kommt.“ Das Gebiet der bayerischen Alpen sei in weiten Teilen viel zu dicht besiedelt. „Unberührte Natur gibt es hier nicht, und die wird es auch nicht mehr geben. Es sei denn, man will ins zehnte Jahrhundert zurück.“

Lausch: „Schade, dass niemand von den Befürwortern kam“

Sehr zufrieden äußerte sich auch Josef Lausch über die Freie-Wähler-Veranstaltung, die im Saal des Gasthofs nur wenige freie Plätze gelassen hatte. Nur über eines war er enttäuscht: „Schade, dass niemand von den Befürwortern der Wölfe gekommen ist.“ Das ist aber auch viel verlangt zur Zeit, da die jüngsten Vorfälle mit Bären in Oberaudorf, am Sudelfeld und in Siegsdorf, mit dem Auftauchen der Wölfe an verschiedensten Orten Oberbayerns die Menschen verunsichern.

Vor allem Rainer Auer, Vorsitzender vom Bund Naturschutz im Landkreis Rosenheim, hatte sich zuletzt Anfeindungen gefallen lassen müssen. „Es hätte mich gefreut, wenn Rainer Auer gekommen wäre“, sagt Lausch. „Es hätte mich aber auch gewundert.

So erhob sich in der Diskussion im Wirtshaussaal nur einer, um ansatzweise für den Wolf zu sprechen: Axel Brandt, Urlauber aus Euten (Schleswig-Holstein). Er fragte, warum Züger nur die negativen Seiten des Wolfes beleuchtet, nicht aber berichtet habe, dass der Wolf auch für natürliche Auslese sorge. Dass ihm nur Skepsis entgegengeschlagen wäre, das wäre untertrieben.

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