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„Macht keinen Spaß, immer von den gleichen Leuten eins auf den Deckel zu bekommen“

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Von: Marina Birkhof

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Bürgerdiskussion Nachtleben Wasserburg Stechl-Keller
Edin und Amir Bajric (von rechts) erklärten an dem Abend im „Stechl-Keller“ ihren Blick auf das Wasserburger Nachtleben. Allgemein lautete der Tenor: Es müsse mehr bewegt werden, um der Stadt nachts wieder mehr Leben einzuhauchen. Links im Bild „Kino Utopia“-Betreiber Reiner Gottwald und dahinter Simon Stürmlinger. © mb

Leere Bars und Kneipen, Locations, die noch vor Mitternacht unverrichteter Dinge an einem Samstagabend schließen - weil keiner kommt. Die traurige Wahrheit der Wochenenden in Wasserburg zu vorgerückter Stunde. Die Gründe dieser Entwickelung und wie die Stadt aus dieser Abwärtsspirale wieder herauskommen kann, sollte eine Bürgerdiskussion ans Licht bringen.

Wasserburg am Inn - Montagabend, 20 Uhr: Im “Stechl-Keller“ fanden sich rund 30 Personen aller Altersgruppen ein. Edith Stürmlinger hat im Namen ihrer Partei „Bürgerforum“ einen Diskussionsabend ins Leben gerufen.

Sperrzeit und Corona: Todesstoß für Wasserburger Nachtleben

Eine politische Debatte war das keinesfalls: Edith ging es darum, die Wasserburger mit ihren Wünschen und Anliegen zu Wort kommen zu lassen, weswegen sie die „Moderation“ des Abends Lena Breitenfellner überließ. Die 32-Jährige lebt direkt am Marienplatz, ihr liegt es am Herzen, dass sich in Wasserburg wieder etwas zum Positiven bewegt.

Denn insgesamt waren sich alle einig: Das blühende und vielseitige Nachtleben, so wie es einst war, existiert nicht mehr. Vieles habe die Sperrzeit vor ein paar Jahren bereits kaputt gemacht. Die Corona-Pandemie versetzte dem Nachtleben wohl endgültig den Todesstoß. Zusätzlich setzte sich bei den Jungen der Trend durch, sich lieber in privaten Hütten, Bauwägen oder im Bierzelt zu treffen.

„Leute mit der Sperrzeitregelung konsequent aus der Stadt getrieben“

Niko, ein ehemaliger Gastroteilnehmer und, wie er selbst sagt, „reger Teilnehmer am Nachtleben“, war der Ansicht, die viele teilen: „Die Lage ist sehr schlecht aktuell, es ist nichts los. Lassen wird die Pandemie einmal außen vor, so hat man die Leute mit der Sperrzeitregelung konsequent aus der Stadt getrieben. Es hat sich herumgesprochen, dass sich Wasserburg nicht lohnt zum Furtgehen. Da nehmen die jungen Leute lieber mehr Geld für ein Taxi nach Rosenheim in die Hand, wo dann aber auch was los ist.“

Sarah wohnt ebenfalls am Marienplatz ergänzte: „Mit meinen 40 Jahren ist meine Vorstellung von Nachtleben nicht stundenlang in Bars zu sitzen und Bier zu trinken - ich gehe gerne tanzen.“ Nur in Wasserburg gebe es kaum Möglichkeiten - außer die „Disco Universum“, doch die befinde sich außerhalb der Altstadt.

Beanstandungen auch bei einmaliger Veranstaltung im Greinbräu

Gut angenommen wurde Ende 2022 das „GB9“, eine Tanz- und Musikveranstaltung im Greinbräudurchgang. Verantwortlich dafür war Kinobetreiber Rainer Gottwald. Doch: Es handelte sich um eine private und einmalige Feierlichkeit zur Überbrückung, bis die Räumlichkeiten saniert und wieder vermietet wurden.

„Wir starteten um 18 Uhr und mussten um 24 Uhr aufhören. Längere Öffnungszeiten hat uns die Stadt nicht genehmigt“, erzählt Rainer und unterstreicht, in der Zeit mit insgesamt acht Abenden sahen sich die Verantwortlichen mit einigen Beanstandungen von Anwohnern konfrontiert.

Hauptproblem Anwohnerbeschwerden

Anwohnerbeschwerden - ein Gesichtspunkt, der in der Altstadt Wasserburg schwer wiegt. Das Cafe Central in der Herrengasse sprang vor Jahren ob permanenter Einwände von Anrainern dem Kneipentod nur haarscharf von der Schippe.

Auch Amir und Edin Bajric können davon ein Lied singen: Seit 18 Jahren betreiben sie das „El Paso“, seit wenigen Jahren sind sie auch für das „Coppa Brazil“ und das „Oscars“ in der Adlzreiterstraße in Rosenheim verantwortlich. Im Vergleich mit Rosenheim, so berichten sie aus eigener Erfahrung, sei Wasserburg ein „klarer Verlierer“.

Bürgerdiskussion Nachtleben Wasserburg Stechl-Keller
Alle Altersgruppen bemängelten am Montagabend im „Stechl-Keller“ die Lage des Wasserburger Nachtlebens. © mb

„In Rosenheim haben wir keinerlei Beschwerden, da können wir uns ausleben. In Wasserburg hat es eine halbe Ewigkeit gedauert, bis wir überhaupt die Terrasse genehmigt bekamen. Wir sind Kinder dieser Stadt und wir haben gekämpft, aber es macht halt keinen Spaß, immer und immer wieder von den gleichen Leuten eins auf den Deckel zu bekommen“, betont Edin.

Denn im Großen und Ganzen, da waren sich die Brüder einig, seien es nur zwei oder maximal drei Personen, die sich ständig beschweren und die Polizei vorbeischicken.

Das kann auch Peter Fichter, Inhaber des Stechl-Kellers bestätigen: Er genieße den Vorteil, sein Lokal direkt an der Straße zu betreiben. „Da ist ein vorbeifahrendes Auto lauter als meine Gäste. Beschwerden gibt es kaum.“ Sollte es doch einmal zu Protesten kommen, so seien es „die üblichen Verdächtigen“.

Zum „italienischen Flair“ Wasserburgs gehöre auch gemütliches Beisammensitzen

Der Tenor des Abends: Es müsse sich etwas bewegen, dass mehr Menschen und vor allem wieder junge Leute gerne das Wasserburger Nachtleben ansteuern. Schritt eins wäre für Edith die Aufhebelung der Sperrzeit zurück zur „Putz-Stunde“. Sie wolle dazu einen Antrag formulieren.

Der zweite Schritt wäre ein engerer Zusammenschluss aller Nachtclubbetreiber und Gastronomen, um aktiv gemeinsame Veranstaltungen ins Leben zu rufen. So soll den Leuten nahe gebracht werden, dass es sich wieder auszahlt, nach Wasserburg zu kommen.

Die Stadt berufe sich oft genug auf seinen „italienischen Flair“, doch dazu gehöre auch gemütliches Beisammensitzen draußen bis Mitternacht und gegebenenfalls weiterziehen zu können.

Kritik am Stadtrat und seinen „Methusalixen“

Kritik hagelte es auch am Stadtrat, der laut Gottwald „kein Interesse am Nachtleben und der Situation der Gastro“ hätte.

Dort säßen „Methusalixe“, die seit Jahren dieselbe festgefahrene Meinung vertreten würden. So formulierte es Lorenz Huber, selbst Stadtrat. Er selbst wolle mit über 60 Jahren in der nächsten Wahlperiode seinen Platz frei machen für die Jugend. „Dann aber hoffe ich auch, dass ihr die Chance nutzt, politisch aktiv zu werden und selbst etwas zu bewegen.“

„Kontrovers, aber pro Nachtleben diskutiert“

Alle Hoffnung lastet nun auf dem neuen Stadtmanager Simon Arnold, der Mitte Mai seinen neu geschaffenen Posten im Rathaus antritt. Bislang, darin waren sich die Anwesenden einig, fehle es an einem konkreten Ansprechpartner und Koordinator. Wer für welche Genehmigungen zuständig sei - von der Stadtverwaltung bis zum Landratsamt - sei nämlich „nebulös“.

Edith schloss die Veranstaltung mit den Worten, sie habe es schade gefunden, dass keine Altstadtbewohner anwesend waren. Man habe knappe zwei Stunden lang „zwar kontrovers, aber sehr einseitig und pro Nachtleben diskutiert“.

Ob es möglicherweise daran liege, dass sich tatsächlich nur einzelne Personen beschweren blieb an diesem Abend unbeantwortet.

mb

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