Neue Herausforderungen durch Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie
Immer mehr Bedürftige: So rüsten sich die Tafeln in der Region gegen den Ansturm
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Ukraine-Krieg, Auswirkungen der Corona-Pandemie, Inflation - die aktuellen Krisenzeiten treiben die Menschen um und machen sich auch bei den Tafeln in der Region bemerkbar. Wir wollten wissen, wie sich das auf das Ehrenamt auswirkt.
Wasserburg/Mühldorf/Trostberg - „Vor vier Monaten waren es noch rund 150 bedürftige Personen, die wir versorgt haben, inzwischen sind es 280“, antwortet Renate Steinbichler auf die Frage, ob die Zahl an Bedürftigen gestiegen ist. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Jeanette Kampshoff leitet sie die Wasserburger Tafel.
Schon 2015 hatten Flüchtlinge den Kundenkreis erweitert, jetzt sind es weitere aus der Ukraine, die die Tafel im Burgerfeld regelmäßig besuchen, weiß Steinbichler. Ein Kraftakt für alle ehrenamtlichen Mitarbeiter jeden Dienstag am Ausgabetag.
Ehrenamtliches Personal für die Trostberger Tafel gesucht
Dass die Ausgabetage häufig mit Stress verbunden sind, kann auch Ulrike Bergmann-Fritz bestätigen: Neben der Ukraine-Krise stellt nach wie vor die Pandemie die Tafeln vor Herausforderungen, erklärt die Leiterin der Trostberger Tafel.
Denn mit steigenden Corona-Zahlen fallen ältere ehrenamtliche Mitarbeiter aus - aus Angst vor Ansteckung. Dabei sei es ohnehin schwer, Helfer zu finden, weil sich viele Menschen ein Ehrenamt kaum mehr leisten können. Daher ist die Leiterin über jeden Neuzugang froh.
In der Stadt an der Alz hat sich die Zahl an Bedürftigen bei etwa 350 eingependelt. „Flüchtlinge aus der Ukraine halten sich die Waage mit deutschen Bürgern, die nicht über die Runden kommen“, erläutert Bergmann-Fritz weiter. Zwischenzeitlich musste sie sogar einen Aufnahmestopp erlassen, der ist inzwischen allerdings wieder aufgehoben.
Aufnahmestopp bei der Tafel in Mühldorf am Inn:
Einen akuten Aufnahmestopp trotz ausreichender Helfer und gut gefüllter Lager muss indes Detlef Künzel bei der Mühldorfer Tafel hinnehmen.
„Wir sind ehrenamtlich gut aufgestellt derzeit, können aber schlicht und ergreifend nicht mehr als 200 Haushalte versorgen. Dazu kommt, dass wir sowohl räumlich als auch mit einem Ausgabetag pro Woche zeitlich begrenzt sind. Und mit den Ukrainern sind auf einen Schlag einige Haushalte dazugekommen“, unterstreicht der Leiter der Mühldorfer Tafel.
Waldkraiburger Bedürftige hatten zuletzt schon den Weg nach Wasserburg gesucht, doch die Innstadt konnte sie nicht aufnehmen. Es folgte ein Telefonat zwischen den Tafelleitern Steinbichler und Künzel, wie Abhilfe geschaffen werden könnte.
Nun, erklärt Künzel, stehe die Überlegung im Raum, ob eine Zweigstelle der Mühldorfer Tafel für die Waldkraiburger möglich wäre. „Ein zweiter Abgabeort könnte in Aschau am Inn entstehen und wäre somit für uns in Mühldorf eine deutliche Entlastung“, betont Künzel. Man befinde sich derzeit in Gesprächen, doch da hänge eine Menge organisatorischer Aufwand dran.
Obwohl alles teurer wird: Spendenbereitschaft weiter hoch
Die Spendenbereitschaft der Menschen ist trotz Inflation und immer teurer werdenden Lebensmitteln nach wie vor sehr hoch, wie die Tafelleiter übergreifend bestätigen. In Mühldorf beispielsweise sorgte ein Aktion am Netto für zusätzliche Spendenbereitschaft der Bürger. Viele Tafeln werden ohnehin von Supermärkten und Unternehmen sowie privaten Spendern unterstützt. Somit sind die Lager gut gefüllt.
Was die Tafeln deutlich zu spüren bekamen, seien jedoch Hamsterkäufe in den Supermärkten, prangert Bergmann-Fritz an: „Die haben sich bei der Abgabe bemerkbar gemacht: Wir Tafeln leben von übrig gebliebenen Lebensmitteln und jenen, die nicht mehr verkauft werden können - wie angeschlagene Konserven, verbeulte Dosen oder aufgerissene Nudelpackungen. Solange Ware da ist, können wir Menschen versorgen und aufnehmen - da sind wir auch über Obst, Gemüse und Brot dankbar. Hamsterkäufe aber schaden uns sehr.“
Tafeln deutschlandweit überlaufen
Geflüchtete aus der Ukraine, Erwerbslose, Erwerbstätige mit geringem Einkommen sowie Rentnerinnen und Rentner sind besonders häufig auf die Unterstützung der regionalen Tafeln angewiesen. 32 Prozent der Tafeln deutschlandweit mussten bereits einen Aufnahmestopp einführen. Die Tafeln schlagen Alarm - und fordern gezielte Hilfen für armutsbetroffene Menschen.
Der Blick auf die kommenden Wochen wird von den hieisigen Tafelleitern daher von Skepsis begleitet. Die Wasserburger Tafelleiterin Steinbichler befürchtet, dass es im Herbst wieder schlimmer werden könnte: „Die Nebenkosten werden weiter in die Höhe schnellen. Die Regierung muss sich langfristig etwas überlegen, wie sie bedürftigen Bürgern entgegenkommen kann. Im Grunde würde hier nur die Senkung der Mehrwertsteuer helfen.“
mb