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„Politiker sind entscheidend“: So kämpft die Bürgerinitiative gegen den Brenner-Nordzulauf

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Von: Michael Weiser

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Lothar Thaler ist der Vorsitzende vom Brennerdialog. Und nicht zuletzt Tunnelprojekte wie die Untertunnelung des Inns sind für ihn ein CO2-Wahnsinn.
Demonstrieren und organisieren gegen den Brenner-Nordzulauf: Lothar Thaler ist der Vorsitzende vom Brennerdialog. © Tobias Hase/ re

Der Brenner-Nordzulauf treibt die Menschen in der Region Rosenheim weiter um. Im Brennerdialog haben sich Bürgerinitiativen dagegen zusammengeschlossen. Über Pläne, Klagen und Zeitdruck sprach der neue Vorsitzende Lothar Thaler im OVB-Exklusivinterview.

Rosenheim - Unter dem Dach des Brennerdialogs Rosenheimer Land haben sich sieben Bürgerinitiativen zusammengefunden. Der neue Vorsitzende ist Lothar Thaler. Mit seinen Mitstreitern ist er für die Strategie des Widerstands gegen die Planungen der Bahn für den Brenner-Nordzulauf verantwortlich. Und nun geht es sozusagen in den Endspurt, bevor 2025 der Bundestag entscheidet. Daher sprach Lothar Thaler mit den OVB-Heimatzeitungen: über Pläne, Zeitdruck und die Hoffnung auf Einsicht. Und den Rechtsweg als letztes Mittel.

Sie lassen gerade die Möglichkeit einer Klage gegen den Brenner-Nordzulauf prüfen. Haben Sie schon was von Ihren Anwälten gehört?

Lothar Thaler: Nein, haben wir noch nicht. Wir warten täglich darauf, das Gutachten wurde uns noch für den Januar versprochen.

Gegen was genau soll sich die Klage richten?

Thaler: Das ist der Knackpunkt. Deswegen machen wir uns ja schlau. Unser Ziel ist die Hochgeschwindigkeitsstrecke zu verhindern. Wir sind auch für die Verlagerung von der Straße auf die Schiene, aber wir gehen auch davon aus, dass wir den Brenner-Nordzulauf schon haben. Daher haben wir die Kanzlei beauftragt zu prüfen, wo und zu welcher Stelle wir wann mit welchen Argumenten am effektivsten einschreiten. Der Weg ist also noch nicht klar. Die Bahn hält sich ja auch immer bedeckt. Deswegen prüft das für uns ein Fachbüro, das sich häufig mit verkehrsrechtlichen Dingen auseinandersetzt.

Kampf gegen Brenner-Nordzulauf: Hoffnung auf Einsicht

Wie groß sind Ihre Chancen, was erwarten Sie?

Thaler: Wir hoffen schon, dass wir eine Möglichkeit finden. Wir greifen da auf keinen Fall nach einem Strohhalm, es ist vielmehr ein Mosaikstein in unserem Vorhaben. Ich hoffe dringlichst, dass wir nicht darauf angewiesen sein werden, den Rechtsweg zu beschreiten, und dass die Entscheider in der Politik schon vorher zur Einsicht kommen. Die Politiker sind für uns entscheidend. Die Bahn beruft sich zurecht darauf, dass sie nur im Auftrag der Politik plant.

Nun ist der Brenner-Nordzulauf Teil einer europäischen Verkehrsachse, durch Verträge abgesichert, und überdies seit Jahren im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Glauben Sie da wirklich an ein Zurück?

Thaler: Natürlich, ich weise nur darauf hin, dass Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis zueinander stehen - was ja auch wirklich der Fall ist -, dann könnte das Vorhaben schon durch den Bundestag fallen. Nochmal, wir haben ja den Brenner-Nordzulauf. Die europäischen Vorgaben könnte man auch so einhalten. Vereinbarungen mit Österreich über die Brennerproblematik sind keine Verträge, sondern lediglich Absichtserklärungen zwischen Ministerien, keinesfalls rechtlich bindend.

Da ist dann immer von technischer Ertüchtigung die Rede.

Thaler: Die Strecke müsste nach Neubaustandards ausgebaut werden, und es müssten die modernen Züge darauf fahren, die es bereits gibt. Es gibt bereits emissionsärmere Züge. Es gibt eine Expertise, aus der folgendes hervorgeht: Wenn wir die jetzige Strecke nach Neubaustandards ausbauen, dann ist der Verkehr bei höherem Aufkommen leiser als die jetzige Strecke mit dem heutigen Aufkommen. Man müsste auch den Rosenheimer Bahnhof moderat ertüchtigen, um den Flaschenhals dort zu beseitigen. Wir haben ein Gutachten, das bescheinigt, dass derlei sogar im laufenden Betrieb möglich sei - mit einem Zehntel der Kosten für die Hochgeschwindigkeitsstrecke. Das große Verkehrsaufkommen, das die Bahn immer weissagt, das könnte man aufnehmen.

In einer Studie der Verkehrsministeriums war jüngst von möglicherweise weit über 500 Zügen pro Tag die Rede.

Thaler: Die produzieren da immer höhere Zahlen, je mehr sie in die Ecke gedrängt werden. Schon die Zahl von 400 war aus der Luft gegriffen. Selbst die die Brenner-Plattform nennt nicht solche Zahlen. Wenn die Bahn von solch wahnsinnigen Mengen ausgeht, dann frage ich mich, warum die Regierung die Strecke München - Mühldorf - Salzburg nicht ausbaut, wie es einmal zur Entlastung des Brenner-Korridors gedacht war.

Vereint gegen die „Wahnsinnsprojekte“: Daher schließen sich Initiativen zusammen

Initiativen aus dem Rosenheimer Raum haben sich 2021 mit anderen Bahninitiativen zusammengetan. Warum? Da verfolgt doch jede ein anderes Ziel.

Thaler: Der Vorteil liegt darin, dass wir mehr Gehör und Gewicht bei den Entscheidern gewinnen. Das gemeinsame Ziel ist doch, dass man Bauten verhindert, die gegen gesunden Menschenverstand sind. Da wird zum Beispiel eine Irrsinnsstrecke von Hamburg nach Hannover geplant, für ein Wahnsinnsgeld, dass wir für die flächendeckende Ertüchtigung brauchen könnten. In diesen Initiativen sind lauter Menschen, die für die Bahn sind, aber nicht unter solchen Vorzeichen. Es ist viel Expertenwissen vorhanden, bei Menschen, die noch mit Verstand durch die Gegend laufen.

Der Bundestag könnte sich wegen zu hoher Kosten vom Brenner-Nordzulauf abwenden. Da spielen Ihnen all die Krisen, die Kosten explodieren lassen, in die Karten. `

Thaler: Ich gehe davon aus, dass die Kosten enorm steigen werden. Aber dafür hätten wir nicht auf eine Krise warten müssen. Nennen Sie mir Bauten, die das gekostet haben, was man prognostiziert hatte. Es wird mittlerweile davon gesprochen, dass der Neubau zehn Milliarden Euro kosten soll. Letztes Jahr waren es noch sieben Milliarden, angefangen hatten wir bei 1,2 Milliarden. Die Kosten werden explodieren, damit rechnen wir.

Erwartbar, allein schon wegen der extrem hohen Energiekosten, die für die Betonproduktion anfallen.

Thaler: Nicht zu vergessen die immense Belastung mit CO2. Das ist eine Irrsinnsbelastung, das fahren wir in hundert Jahren nicht wieder herein. Selbst mit dem heutigen Ausstoß bei Lkw-Abgasen nicht. Aber die werden auch emissionsärmer. Und dann wären da noch die Themen Wasserstoff und autonomes Fahren. Die Bahn hat übrigens noch nicht erklärt, wo und an welchen Stellen sie die Güter auf den Schienenweg bringen wollen. Die meisten Verladeterminals sind ja abgebaut worden.

Viele Spediteure sind da aber anderer Meinung.

Thaler: Ja, zum Beispiel wollen einige regionale Spediteure bekanntermaßen auf die Schiene. Allerdings jetzt und nicht in 30 Jahren. Der Neubau ist zu weit weg.

Nur knapp zwei Jahre: Viel Zeit bleibt den Initiativen nicht mehr

Wie geht‘s bei Ihnen weiter?

Thaler: Anfang März haben wir die Aktion mit den Mahnstäben, die am Boden markieren, welche Ausmaße der Neubau der Gleise hätte. Wir haben 1000 Stäbe zur Verfügung, so dass wir die Strecke zumindest im Landkreis ausstecken können. Es kann noch sein, das wir Veranstaltungen an drei verschiedenen Stellen machen, aber im Detail ist das noch nicht geklärt. Die bundesweiten Initiativen werden übrigens auch mitmachen.

Weitere Pläne haben Sie darüber hinaus?

Thaler: Ein paar Überraschungen haben wir noch (lacht). Wir machen eins nach dem andern. Mehr Öffentlichkeitsarbeit ist auf jeden Fall gefragt. Was in der kalten Jahreszeit noch wichtig ist: Da werden wir einen Film zeigen, mit dem Titel „Das trojanische Pferd“. Der hat Bezug auch zu uns. Es gibt ein paar Ideen, aber da sollte ich nicht vorpreschen.

Viel Zeit haben Sie nicht. 2025 entscheidet der Bundestag.

Thaler: Genau. Bis dahin müssen wir schauen, dass unsere Argumente angekommen sind.

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