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Corona hätte ihn fast getötet: So kämpft sich ein Rosenheimer nach Wochen im Koma zurück ins Leben

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Von: Michael Weiser

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Vorsichtige Schritte zurück: Hans M. bei der Gangtherapie mit Physiotherapeutin Kathrin Henschel.
Vorsichtige Schritte zurück: Hans M. bei der Gangtherapie mit Physiotherapeutin Kathrin Henschel. © Medical Park

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten zur Weihnachtszeit. So wie die von Hans M.: Covid-19 erwischte ihn mit voller Wucht, wochenlang schwebte er zwischen Leben und Tod. Nun aber geht es langsam aufwärts mit ihm. Wie sich der Rosenheimer auf sein Leben nach Covid freut.

Rosenheim – Hans M. (41) hat einen neuen Sport für sich entdeckt. Er sieht sich am Nachmittag immer die Übertragung der Darts-WM an. Weil er dabei so gut entspannen kann, sagt er. „Man ist ja froh, wenn man mal eine Stunde seine Ruhe hat.“

Dass sich Hans M. schon wieder über Ruhepausen freuen kann, ist eine Nachricht. Eine richtig gute sogar. Denn Hans M. wurde von Corona schlimm erwischt. Einige Wochen lang sah so aus, als werde er nicht mehr zurückkehren.

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Nicht mehr zurückkehren nicht nur in den Job. Sondern nicht mehr ins Leben. Er hatte Covid-19. Und über viele Tage hin schwebte er zwischen Leben und Tod.

Dass er nun auf Reha in der Medical Park-Klinik Loipl in Bischofswiesen ist, im Berchtesgadener Land, dass er mit der Außenwelt telefonieren kann, dass er dabei ganz munter klingt, fast schon nach dem Mann, den man vor seiner Corona-Erkrankung kannte: Das ist so etwas wie ein Weihnachtswunder für seine Freunde, seine Familie, seine Kollegen.

„Hab sogar meine Schlüssel abgekocht“

Diese spezielle Weihnachtsgeschichte des Hans M. beginnt im September. Irgendwo steckt er sich an, wo weiß er nicht mit Sicherheit. Dabei habe er Corona nicht auf die leichte Schulter genommen, beteuert er. Im Gegenteil: Übervorsichtig sei er gewesen, immer, wenn er nicht allein gearbeitet habe, habe er die Maske getragen. „Ich hab während der ersten Welle sogar meine Schlüssel abgekocht“.

Während der ersten und zu Beginn der zweiten Welle hat es noch keinen Impfstoff gegeben. Also passt M. auf und vermeidet Kontakte. Und denkt, dass er damit die vierte Welle auch noch abreiten kann. „Ich habe einfach nicht gedacht, dass es mich so schwer treffen kann.“ Ein Irrtum, wie sich kurz vor einem Wochenende im Spätsommer herausstellt. In der Nacht weckt ihn ein schmerzhafter Husten. Tests geben ihm schließlich Gewissheit: Er hat Covid.

Zu Hause wurde er immer schwächer

„Ich war dann noch eine Woche zu Hause“, berichtet er. Da sei es dann immer schlimmer geworden. Am nächsten Wochenende, in der Nacht auf Sonntag, wird er wieder wach. Nun hat er keine Kraft mehr. Er sieht nicht mehr richtig. Ein schwarzer Rand engt sein Sichtfeld immer mehr ein. Er kann nicht mehr. „Dann hab ich halt den Sanka gerufen“, berichtet M.

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Er landet im Romed-Klinikum in Rosenheim. Wird untersucht, dann auf die Intensivstation gebracht. Dort verblasst ab irgendeinem Punkt seine Erinnerung. Irgendjemand habe ihn gefragt, ob er künstlich beatmet werden wolle. Das meint er zumindest gehört zu haben, ganz sicher ist er nicht. Jedenfalls „haben s’ mich dann ins Koma gelegt.“

Fünf Wochen im Koma

Mit dem Hubschrauber wird er schließlich nach Großhadern geflogen, auf dem Bauch liegend, an der Beatmungsmaschine hängend kommt er an. Die Ecmo versorgt ihn mit Sauerstoff. Ecmo ist die Abkürzung für Extrakorporale Membranoxygenierung, bekannter als künstliche Lunge. Er erinnert er sich an Träume in jener Zeit. Richtig schlimme Träume, sagt er. „Das waren Horror-Trips“.

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Als er endlich wieder aufwacht, hängt neben seinem Bett ein Merkblatt der Klinik. 5. November steht drauf. Über einen Monat lang war er im Koma gelegen.

Nun beginnt er sich langsam zu erholen. Und schließlich wird ein Rehaplatz frei. Im Berchtesgadener Land.

Dort kümmert sich unter anderem Prof. Dr. Rieckmann um ihn, Chefarzt Neurologie bei Medical Park Loipl in Bischofswiesen. Er hat gute Nachrichten. Herr M. habe bereits gute Fortschritte gemacht. „In vier bis sechs Wochen sollte er laufen können.“

Der Rosenheimer erholt sich überraschend gut

Rieckmann lässt auch die Blutgase messen. Ein wichtiger Anzeiger für Zustand des Patienten. 80, 85 Prozent Sauerstoffsättigung habe der noch in München erreicht, jetzt sei er bei 97 Prozent. Und das in einer Höhe, in der manche Patienten „dekompensieren“, wie Reickmann sagt. „Man kann sagen, er schöpft seine Möglichkeiten optimal aus.“

Überhaupt scheint ihn sein Patient zu überraschen.

Da sei Übergewicht, da sei Bluthochdruck. Aber sonst? Die Lunge mache vergleichsweise gut mit, beim Gedächtnis und der Konzentrationsfähigkeit seien keine Einschränkungen festzustellen. Am deutlichsten sind die Veränderungen beim Gewicht. Gut 30 Kilo hat M. in all den Wochen abgenommen, vor allem die Muskeln haben sich stark zurückgebildet. Sein Patient zeige sich auch weniger erschüttert, weniger angefasst als andere Menschen, die auf der Intensivstation gewesen seien, sagt der Chefarzt. „Er scheint ein ausgeglichener Mensch zu sein.“

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So stellt sich M. auch den Therapien. Gehen und Atmen, das alles muss er sich wieder aneignen, um die Nieren, die während der Zeit unter Beatmung schwer gelitten haben, kümmern sich die Ärzte mit Medikamenten.

Ein Fuß sei angeschwollen und taub, sagt er. Meist bewegt er sich im Rollstuhl. Alleine kann er vorerst nur mit Hilfe eines Rollators gehen, wenige Meter auf dem Flur des Krankenhauses. M. klingt dennoch nicht verzagt. „Momentan ist es einfach schön, dass es bergauf geht.“ Dazu muss er weiter trainieren. Harte Arbeit. „Von 8 bis 15 Uhr“, sagt er, „volles Programm. Das ist ganz schön Stress.“ Deswegen tut ihm Darts-WM anschauen vermutlich so gut.

„Habe nicht mehr so viel Angst vor dem Tod“

Irgendwann, so hofft er, wird es wieder halbwegs sein wie früher. Dass er sich nicht hat impfen lassen, „das war ein Fehler“, wie er sagt. Sobald die Immunisierung durch die Infektion abgeklungen ist, will er sich zur Auffrischung impfen lassen. „Wenn einer weiß, dass Corona keine Grippe ist, dann ja wohl ich“, sagt er.

Corona, so sagt er, habe ihn zum Nachdenken gebracht. Darüber, wie schön Normalität ist, mit dem Job und Mitmenschen. Und über vieles anderes. „So viel Angst vor dem Tod“, so sagt er. „habe ich nicht mehr.“ Er sei nah dran gewesen, meint er, und es sei nur wie Einschlafen gewesen.

Die neue Omikron-Variante legt sich auch über Heiligabend wie ein Schatten. „Das könnte ein bisschen bitter werden“, schwant es Hans M. Andererseits nimmt er es stoisch. „Weihnachten gibt‘s öfter.“ Peter Rieckmann sieht das Fest ohnehin gerettet: „Man könnte sagen, das schönste Geschenk hat er sich selber gemacht.“

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