Pferde ziehen fahrbare Schaubühnen durch Erharting

Erharting - Der Verein für Brauchtumspflege Erharting e.V. und die Erhartinger Ortsvereine laden am 26.12.2015, nachmittags, 14 Uhr zum historischen, seit über 425 Jahren bestehenden Stephaniumritt mit lebenden Darstellungen aus den Heiligenlegenden auf 20 Motivwagen und mit entsprechenden Reitergruppen ein.
Die Tradition der Stephaniumritte reicht zurück bis in heidnische Zeiten, in denen das Pferd als Sprachorgan und Orakel der Götter verehrt wurde. Aus den schon bei den germanischen Volksstämmen üblichen Umzügen zu Pferde durch Wald und Flur, hin zur Opferstätte, entwickelten sich im Lauf der Jahrhunderte christliche Wallfahrten und Kirchenumritte. Durch die Auswahl eines Patrons, dessen Heiligenleben oder Wundertaten Anknüpfungspunkte zur Verchristlichung von ehemals heidnischen Kultbräuchen darboten, stellten die Missionare die einstmals vom germanischen Volksglauben geprägten Umzüge unter das besondere Andenken und die Fürbitte von bestimmten Heiligen. Somit war eine wichtige Hürde auf dem langen Weg vom ehemals heidnischen Weiheroß zur christlichen Roßweihe genommen.
Nachweislich beginnend vor 425 Jahren, brachten weder Kriegs- noch andere Notzeiten den Erhartinger Stephaniumritt zum Erliegen. Sogar gegen die Einflußnahme der NS-Machthaber konnten sich die traditionsverbundenen Erhartinger Bauern erfolgreich wehren, indem sie ihre Arbeitspferde am Stephanitag im Stall stehen ließen. Besonders revolutionär war die Tatsache, daß die Bauern polnischen und französischen Kriegsgefangenen, die ihnen als Ersatzarbeitskräfte für die an der Front stehenden Männer zugeteilt waren, erlaubten die Rösser am Stephanitag zur Segnung zu reiten. Schon immer galt ein berittener Mann als Ausdruck von heldenhafter Stärke und Freiheit. Wie eine schallende Ohrfeige müssen die braunen Machthaber damals diese Aktion der Erhartinger Bauern empfunden haben.
Als nach dem 2.Weltkrieg die Technisierung in der Landwirtschaft ihren Einzug hielt, wurden auch nach und nach die bäuerlichen Arbeitspferde vom Traktor von den Höfen verdrängt. So kam es, daß im Jahr 1955 nur noch 23 Pferde zur Segnung geritten wurden und anschließend der altehrwürdige Stephaniritt von Erharting wegen Pferdemangel eingestellt wurde.
Im Jahr 1981 führte Josef Vorbuchner, ermutigt durch die stetig anwachsenden Pferdebestände in den umliegenden Reitvereinen unter nicht einfachen Voraussetzungen die Tradition des Umrittes weiter. Er ergänzte den Reiterzug wie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder mit den für Erharting typischen Motivwagen, auf denen in lebenden Bildern, Szenen aus den Heiligenlegenden dargestellt werden. Seit dem hat sich dieser "neugeborene" Umritt zum größten Stephaniumritt Bayerns mit lebenden Heiligendarstellungen entwickelt, bei dem auf 20 Festwagen von insgesamt 70 Frauen, Männern und Kindern Einblicke in das Leben und Wirken von in der Region besonders verehrten Heiligen gewährt wird. Historisch gewandete Reitergruppen ergänzen die Heiligenparade hoch zu Roß. In diesem Jahr sollen verstärkt auch Darstellungen von Kindern die Prozession von Roß und Reitern ergänzen. Insgesamt werden etwa 250 Pferde aus dem gesamten südostbayerischen Raum und dem benachbarten Österreich zu dem 1 km langen Festzug erwartet.
Seien Sie mit dabei bei dieser weit und breit einzigartigen und urtümlichen Brauchtumsveranstaltung deren Wurzeln viele Jahrhunderte zurückreichen, aber dennoch ihre Berechtigung auch in unserer weltoffenen Gesellschaft gefunden hat. Der Verein für Brauchtumspflege Erharting e.V. freut sich auf Ihren Besuch. Sehen Sie schon vorab unter www.verein-fuer-brauchtumspflege-erharting.de was geboten wird.
Leonhard Biermaier Tel. 08631/2872