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Skispringen: "Wir werden deutsche Weltcup-Siege sehen"

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Von: Tobias Ruf

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Skispringen: Sven Hannawald ist für Eurosport als Experte und Co-Kommentator beim Weltcup im Skispringen tätig.
Skispringen: Sven Hannawald ist für Eurosport als Experte und Co-Kommentator beim Weltcup im Skispringen tätig. © picture alliance/Bettina Theisinger/EUROSPORT/obs

Der Weltcup 2019/20 im Skispringen beginnt am Wochenende mit dem Teamspringen in Wisla. Sven Hannawald blickt zuversichtlich auf die neue Saison.

Wisla - Sven Hannawald geht mit viel Zuversicht in die neue Saison im Skispringen. Im Interview mit chiemgau24.de blickt der ehemalige Weltklassespringer auf das deutsche Team, die internationalen Top-Athleten und spricht über sein persönliches Saison-Highlight.

Hannawald, der 2002 als erster Springer der Geschichte alle vier Springen bei einer Vierschanzentournee gewann, ist seit 2016 als Experte für Europsort tätig und auch in der Weltcup-Saison 2019/20 im Skispringen hautnah bei den verschiedenen Events im Kalender mit dabei.

Die neue Saison im Skispringen beginnt im polnischen Wisla, dabei stehen ein Teamspringen und ein Einzelspringen von der Großschanze auf dem Programm.

Skispringen: Sven Hannawald im Interview

Herr Hannawald, mit Stefan Horngacher hat der Deutsche Skiverband einen neuen Bundestrainer im Bereich Skispringen. Was halten Sie von dieser Personalie?

Sven Hannawald (45): Stefan war der naheliegendste Kandidat für die Nachfolge von Werner Schuster und ist auch die beste Lösung. Er hat bei seiner Arbeit mit der polnischen Nationalmannschaft gezeigt, welch hohe Kompetenz er für dieses Amt mitbringt und dass er ein echter Teamplayer ist, der ein Kollektiv erfolgreich führen kann.

Welche Bedingungen findet er in seinem neuen Amt vor?

Die Voraussetzungen sind im Vergleich zu seinem Amtsantritt in Polen ganz anders. Damals musste er quasi von Null anfangen, jetzt übernimmt er eine funktionierende Mannschaft, die in den letzten Jahren sehr erfolgreich war. Das schafft auf der einen Seite natürlich eine gewisse Erwartungshaltung, bietet aber auch große Chancen. Stefan nimmt das als sportliche Herausforderung und weiß genau, wie er damit umzugehen hat.

An welchen Stellen besteht in einer funktionierenden Mannschaft Handlungsbedarf?

Stefan bringt seine eigene Philosophie mit, wird sich die Abläufe genau ansehen und dann an der ein oder anderen Stelle entsprechend nachjustieren. Das ist von Athlet zu Athlet verschieden, jeder tickt anders und hat seine individuellen Punkte, an denen es anzusetzen gilt.

Welche Punkte können das sein?

Das kann im technischen oder im mentalen Bereich stattfinden. Auch hier tickt jeder Springer anders. Der eine ist offener für Veränderungen, nimmt neue Impulse direkt an und kann sie auch gleich in positive Ergebnisse umwandeln. Andere wiederum brauchen etwas länger, um Umstellungen in ihren festen Abläufen zuzulassen. Das ist Typsache und braucht entsprechend mehr oder weniger Zeit.

Auch Sie haben in ihrer aktiven Zeit einen Wechsel des Bundestrainers miterlebt. Was bedeutet das für einen Springer?

Das bringt frischen Wind rein, die gewohnten Abläufe ändern sich und man selbst muss sich neu positionieren. Für Springer, die eine schwierige Saison hinter sich haben, bietet so ein Wechsel immer die Chance für eine Art Neuanfang. Springer, die erfolgreich waren, bringen ohnehin schon viel Selbstvertrauen mit und können unter einem neuen Bundestrainer weiter wachsen. Der große Vorteil in der Konstellation mit Stefan Horngacher und dem DSV ist, dass mit Stefan kein Unbekannter das Ruder übernimmt. Die Personalie wurde auch in Abstimmung mit den Athleten entschieden, die Resonanz auf Stefan als neuen Trainer fiel durchweg positiv aus. Zudem hat Stefan vor seiner Zeit in Polen viele Jahre im Nachwuchs des DSV und als Co-Trainer von Werner Schuster gearbeitet. Daher kennt er die Athleten bereits und sie kennen ihn. Das ist natürlich eine gute Voraussetzung für die Zusammenarbeit.

Was erhoffen Sie sich vom deutschen Team für die neue Saison?

Ich bin mir sicher, dass wir deutsche Weltcupsiege sehen werden. Ob das gleich zu Saisonbeginn passieren wird oder erst im Laufe der Saison, muss man abwarten. Aber das Potenzial ist groß und schon in den Trainingslehrgängen vor der Saison hat man gesehen, dass die Jungs schon sehr weit sind. Hinzu kommt, dass das deutsche Team gleich mehrere Athleten hat, die ganz vorne reinspringen können.

Markus Eisenbichler und Karl Geiger haben ihre erfolgreichste Saison hinter sich. Macht das die Ausgangslage für die neue Saison schwieriger?

Ja, das bringt der Sport so mit sich. Mit Erfolgen steigt natürlich auch die Erwartungshaltung an die eigene Leistung. Das ist bei Markus und bei Karl nicht anders. Ich bin gespannt, wie sie damit umgehen werden. Markus ist eher der heißspornigere Typ, der die Dinge auch mal erzwingen will. Karl hingegen ist von seinem Naturell her ein ruhigerer Zeitgenosse, der mit sehr viel innerer Ruhe die Herausforderungen annimmt. Das wichtigste aber ist, dass beide über hohe Qualität verfügen und im Kopf stabil genug sind, um mit dieser erhöhten Drucksituation umgehen zu können. Was ich bei den Trainingslehrgängen bislang sehen konnte, stimmt mich bei beiden zuversichtlich.

Springt Richard Freitag wieder konstant in die Weltspitze?

Das Potenzial dafür hat er. Richard ist ein sehr sensibler Springer, bei dem wirklich alles passen muss. Ich habe ihn beim Trainingslehrgang in Garmisch-Partenkirchen gesehen, da hat er richtig gute Sprünge gezeigt. Er konnte dort seinen Anlauf selbst wählen und im Training ist der mentale Druck natürlich geringer als im Wettbewerb. Ich hoffe, dass er das Vertrauen in seine eigene Leistungsstärke nicht verliert und den Mut findet, weite Sprünge bis zum Ende durchzuziehen. Das war in der Vergangenheit manchmal das Problem bei ihm.

Severin Freund kämpft nach seinem Comeback im vergangen Jahr um den Anschluss. Wie beurteilen Sie seine Ausgangslage vor der neuen Saison?

Bei Severin muss man unheimlich sensibel vorgehen und ihm die nötige Zeit geben, komplett fit zu werden. Wenn der Körper wieder funktioniert, hat er nach wie vor das Potenzial, in die Weltspitze zu springen. Wichtig ist, dass er behutsam an seine Situation herangeht. Er darf den Erfolg nicht erzwingen wollen.

Andreas Wellinger hat sich in der Vorbereitung das Kreuzband gerissen, die Saison ist laut Bundestrainer Horngacher beendet. Was bedeutet das für seine Karriere?

Das ist extrem bitter, Andi hat bis zu seiner Verletzung die Impulse des neuen Bundestrainers sofort umgesetzt und war auf einem sehr guten Weg. Die Entscheidung, in dieser Saison nicht mehr an den Start zu gehen, ist definitiv richtig. Das Risiko wäre aufgrund seiner verletzung einfach zu groß. Ich bin froh, dass er sich die Zeit nimmt. Er muss diese Phase jetzt nutzen, um sich vollständig zu regenerieren und erst dann wieder voll einsteigen, wenn er körperlich bei 100 Prozent ist. Gelingt ihm das, muss sich die Konkurrenz in Zukunft warm anziehen. Denn das, was ich von ihm vor seiner Verletzung gesehen habe, war ganz hohes Niveau.

Der Überflieger der Vorsaison war der Japaner Ryoyu Kobayashi. Wird er auch in dieser Saison dominieren?

Auch für ihn gilt das, was für Markus Eisenbichler und Karl Geiger gilt. Der Erwartungsdruck ist bei Kobayashi immens hoch, damit muss ein so junger Athlet erstmal umgehen können. Aber er hat ein so großes Potenzial, das macht ihn auch in dieser Saison wieder zu einem der Topfavoriten für den Gesamtweltcup und die Saisonhighlights Vierschanzentournee und Skiflug-WM.

Was macht Kobayashi aus?

Er verfolgt einen ähnlichen Ansatz, wie ich es zu meiner Zeit gepflegt habe. Seine Basis ist immer, über eine saubere Technik in den Sprung zu finden und sich nicht zu sehr von äußeren Bedingungen oder Juryentscheidungen ablenken zu lassen. Er zieht die Sprünge durch und hat auch keine Angst vor großen Weiten. Ich bin ein großer Fan von ihm, seinem Sprungstil und seiner herangehensweise an den Sport.

Wer sind aus Ihrer Sicht neben Kobayashi die Top-Favoriten für die neue Saison?

Kamil Stoch muss man auf dem Zettel haben. Er ist technisch und mental einer der komplettesten Springer im Feld und hat schon oft unter Beweis gestellt, über welch große Klasse er verfügt. Auch seine Teamkollegen Dawid Kubacki und Piotr Zyla schätze ich sehr stark ein. Bei den Norwegern und Österreichern muss man abwarten, ob sie Konstanz in ihre Leistungen bekommen. Und der ein oder andere Überraschungskandidat ist auch immer dabei. Meine Top-Favoriten sind Kobayashi und Stoch, direkt dahinter sehe ich schon Eisenbichler und Geiger.

Beim Sommer-Grand-Prix sind vier Japaner unter die besten zehn gekommen. Ist das den Heim-Wettbewerben in Hakuba geschuldet, auf den viele Europäer verzichtet haben, oder wächst da was heran in Japan?

Letzteres! Die Erfolge von Ryoyu Kobayashi haben das ganze Team beflügelt und neue Impulse gesetzt. Da geht es nicht nur um den mentalen Bereich oder um die gestiegene sportliche Qualität, die Ryoyu mit ins Training bringt. Auch strukturell hat sich in Japan viel verändert. Es gibt neue Verantwortliche für die Bereiche Material und Anzüge, das ist heutzutage Grundvoraussetzung, um ganz vorne mitspringen zu können. Mit Kobayashi an der Spitze muss man das japanische Team in den kommenden Jahren definitiv auf dem Zettel haben.

Abschließend noch eine persönliche Frage. Auf welches Event freuen Sie sich in der kommenden Saison am meisten?

Nach wie vor ist die Vierschanzentournee für mich das absolute Highlight einer jeden Saison. Schon als Aktiver hat die Tournee meine Augen glänzen lassen, das ist heute als Experte nicht anders. Auch die Skiflug-WM in Planica wird ein tolles Event, aber nichts geht über die Tournee.

Quelle: chiemgau24.de

*chiemgau24.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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