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„Es bricht mir das Herz“ - Snowboard-Star Leon Vockensperger im Olympia-Interview

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Im wahrsten Sinne ein Überflieger - Leon Vockensperger ist eine der große deutschen Snowboard-Hoffnungen für Olympia
Im wahrsten Sinne ein Überflieger - Leon Vockensperger ist eine der große deutschen Snowboard-Hoffnungen für Olympia © nt

Nicht mehr lange und es geht los mit Olympia 2022 in Peking. Eine von vielen deutschen Medaillenhoffnungen dabei könnte der Snowboard-Freestyler und Shootingstar Leon Vockensperger sein. Im Rahmen der Einkleidung der deutschen Snowboard-Nationalmannschaft hatte chiemgau24.de die Gelegenheit, ausführlich und tiefgründig mit Vockensperger zu sprechen.

Flintsbach - Mit dem Snowboarder verbindet den Autor des Interviews eine besondere Geschichte. Vockensperger ist nicht „einfach nur“ ein Weltklasse-Athlet aus der Region - nein, er ist auch noch fünf Minuten vom Autor entfernt im beschaulichen Flintsbach am Inn aufgewachsen.

Als sie im Jugendalter am heimischen Dorfbach herumlungerten, hätte wohl keiner von beiden gedacht, dass der Profi-Sportler acht Jahre später zu Olympia fliegen könnte und dieses Interview entstehen wird. In einem sehr persönlichen Gespräch erzählt der 22-Jährige, der im wahrsten Sinne ein Überflieger ist, von Olympia, spektakulären Sprüngen und einem gebrochenen Herzen.

Tim Niemeyer (chiemgau24.de): Hey Leon, ein ereignisreicher Sommer liegt hinter dir. Was hat sich getan?

Leon Vockensperger: Ja es ist sehr viel passiert, extrem viele gute Sachen. Ich habe viel Zeit und Energie ins Sommertraining gesteckt, um optimal auf die Saison und dann hoffentlich auch auf Olympia vorbereitet zu sein. Vieles davon hat echt super funktioniert. Das Training war sehr erfolgreich und trägt auch schon die ersten Früchte. Das Sahnehäubchen aber ist definitiv mein neuer Partner - ich bin jetzt offiziell Teil der Red-Bull-Family. Das war ein sehr überraschender, aber auch sehr motivierender Karriereschritt.

Wie kam denn die Zusammenarbeit mit Red Bull zu Stande?

Vockensperger: Das ist ganz lustig. Red Bull ist nach dem Wettkampf in Laax auf mich zugekommen, eigentlich genau in der Zeit als ich verletzt war. Nach einer Trainingsverletzung war ich in der Heimat und habe mich auskuriert. Red Bull hat mich dann nach München eingeladen und so entstand ein toller Tag. Wir waren essen, surfen und hatten super Gespräche. Eigentlich ging es aber dabei nur um ein Kennenlernen und noch gar nicht um eine Partnerschaft. Deswegen bin ich ganz ohne Erwartungen wieder nach Hause gefahren. Ich dachte für mich selbst: „Als ob da jetzt was draus wird, das wäre ja zu schön um wahr zu sein.“ Einige Monate später hat sich Red Bull dann aus dem Nichts wieder gemeldet und auf einmal hieß es: „Leon let‘s do this!“

Was hat sich denn verändert, seit du bei Red Bull bist?

Vockensperger: Extrem viel. Zusätzlich zu den starken Partnern, die ich davor schon an meiner Seite hatte, kommt jetzt nochmal ein wirklich unglaublicher hinzu. Ich habe Zugriff auf das gesamte Red-Bull-Netzwerk. Ich kann im Athlet Performance Center mein volles Potential auf allen Ebenen entfalten und habe super Unterstützung bei Trainingssessions. Erst kürzlich war ich in Saas-Fee auf einem Red-Bull-Trainingscamp. Das war wirklich eine Ehre da dabei zu sein, vor allem weil ich Seite an Seite mit vielen meiner Idole von früher boarden konnte. Durch diese Zusammenarbeit konnte ich mein Training nochmal auf ein anderes Level heben und große Fortschritte machen.

Leon Vockensperger und Tim Niemeyer sind nur wenige Minuten voneinander entfernt in Flintsbach am Inn aufgewachsen
Leon Vockensperger und Tim Niemeyer sind nur wenige Minuten voneinander entfernt in Flintsbach am Inn aufgewachsen © nt

Jetzt hast du deine Idole angesprochen - wer ist denn dein großes Vorbild?

Vockensperger: Ich finde im Snowboarden gibt es nie wirklich nur ein Vorbild. Viele Snowboarder haben einzigartige Eigenschaften, die sie auszeichnen. Mark McMorris, seit kurzem mein Teamkollege - wie verrückt sich das anhört, das so zu sagen - hat eine super Einstellung und ist deswegen einer der besten Boarder. Das hat mich immer inspiriert und mir gezeigt, dass harte Arbeit sich auszeichnet. Marcus Cleveland, mittlerweile auch ein guter Freund von mir, macht die verrücktesten Spins und erfindet so das Rad immer wieder neu. Jedes Mal, wenn man denkt es geht nicht mehr, zeigt er, dass es keine Grenzen gibt.

Kommen wir zu Olympia. Die interne Norm hast du gleich beim ersten Wettkampf in Chur gelöst. Hast du dir im Vorfeld Druck gemacht?

Vockensperger: Ich bin ohne große Erwartungen in die Saison gestartet, eigentlich ist es eine Saison wie jede andere. Die mediale Berichterstattung macht aber dann doch etwas besonderes daraus. So habe ich mich dann hier und da mal erwischt, dass ich mir ein wenig Druck gemacht habe. Aber ich bekomme das gut hin und schaffe es immer wieder, mich aufs Wesentliche zu fokussieren und meine Höchstleistung abzurufen. Ich sehe das auch unabhängig von der Platzierung. Gut zu performen ist meine Priorität, die Platzierung kommt dann von allein.

Olympia 2022: Alle Snowboard-Termine der Olympischen Spiele in Peking

Gilt das auch für Olympia oder hast du da doch ein Ziel für dich selbst ausgerufen?

Vockensperger: Weißt du, mein Papa hat mir immer gesagt, wenn wir zum Surfen gegangen sind: „Erwarte die schlechtesten Wellen überhaupt, weil dann hast du immer Spaß.“ Und mit der Einstellung gehe ich auch an Olympia ran. Ich will meine Bestleistung an dem Tag abrufen und dann sehen wir, wo mich das dann hinbringt. Chancen aufs Podium sind auf jeden Fall da, aber darauf will ich mich nicht versteifen.

Bei wie vielen Wettkämpfen wirst du an den Start gehen?

Vockensperger: Geplant sind zwei. Zum einen beim Slopestyle und zum anderen beim Big Air.

Hast du für Olympia etwas ganz besonderes in petto, einen speziellen Trick oder so?

Vockensperger: Du willst den Matchplan wissen? Den verrate ich dir nicht, sonst wärs ja nicht mehr spannend (lacht). Du kannst dir sicher sein, dass ich hart am Arbeiten bin und definitiv ein paar Asse im Ärmel habe.

Kommen wir zu etwas Ernsterem. Es sind deine ersten olympischen Spiele und dann unter so strengen Pandemie-Bedingungen. Du darfst deinen Teamkollegen nicht zujubeln und musst direkt nach deinen Wettkämpfen wieder nach Hause. Wie geht es dir damit?

Vockensperger: Ganz ehrlich, es bricht mir das Herz. Ich liebe das Snowboarden nicht nur, weil es mir viel Spaß macht. Es gehört nicht nur der Wettkampf dazu, sondern auch die Gemeinschaft. Zum Beispiel mit anderen Athleten zusammen zu jubeln, zu weinen und auch zu feiern. Es wäre so schön gewesen, seine Kollegen anfeuern zu können, aber wir müssen uns nunmal alle anpassen. Da hilft es jetzt nichts, den Kopf hängen zu lassen, sondern man muss das Beste aus der Situation machen.

Hast du einen Glücksbringer - irgendetwas, das dir nochmal einen extra Schub verleiht?

Vockensperger: Nein. Ich muss ehrlich gestehen, habe ich nicht. Mein Glücksbringer ist einfach die Routine. Das heißt, dass ich vor jedem Start den gleichen Ablauf habe und versuche, im gleichen state of mind zu sein, so dass ich mich voll und ganz auf mich selbst fokussiere.

Routine ist ein wichtiges Stichwort. Was denkt man denn, wenn man meterhoch in der Luft seine Tricks macht? Denkt man da überhaupt noch nach oder stellt sich da auch eine gewisse Routine ein?

Vockensperger: Da sprichst du was Witziges an. Im Training führe ich immer Selbstgespräche, vor allem während ich durch die Luft fliege. Aber im Wettkampf ist es ganz anders. Das fällt alles weg - du bist so im Tunnel, fast schon als ob man einen Blackout hat. Ab und zu, wenn ich im Ziel ankomme, weiß ich gar nicht mehr, was passiert ist und wie der Lauf war. Die Emotionen kochen über und mir schießt das Adrenalin in alle meine Adern. Ich bin sehr gespannt auf dieses Gefühl bei Olympia. Ich könnte mir vorstellen, dass es da noch einmal extremer sein wird.

Hast du Angst? Du hattest ja schon eine schwere Verletzung. Spielt das in deinem Kopf eine Rolle?

Vockensperger: Die Verletzung 2018 hat mich fast ein Jahr gekostet. Das kann man nicht ausblenden, die Verletzung hat mich auch lange danach noch beschäftigt. Es war einfach eine verdammt schwere Zeit für mich und ich bin unglaublich dankbar, dass ich jetzt so vor dir stehen kann, wie ich eben heute vor dir stehe und nicht aufgegeben und den Kopf in den Sand gesteckt habe. Es gab Zeiten, da habe ich sicherlich gezweifelt und mich gefragt: „Wofür mach ich das alles? Ist das wirklich das Richtige für mich?“ Aber als ich dann gesehen habe, dass in der Saison danach alles aufgeht und alles funktioniert, hat mich das auf jeden Fall bestärkt, so weiter zu machen und es motiviert mich auch, so schlimme Zeiten hinter mir zu lassen.

Danke dir für das Gespräch. Alles Gute für die Zukunft und viel Erfolg bei Olympia.

nt

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