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Staatshilfen in der Energiekrise - nicht schon wieder die Bazooka

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Von: Prof. Dr. Friedrich Heinemann

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Prof. Dr. Friedrich Heinemann leitet den Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Prof. Dr. Friedrich Heinemann leitet den Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung © ZEW/N. Bruckmann/M. Litzka

Die Bundesregierung eilt privaten Haushalten und Unternehmen angesichts der Folgen der Ukraine-Krise erneut mit Milliarden zu Hilfe - wie so oft in Krisenzeiten. Doch die Maßnahmen kommen zu häufig per Gießkanne und fließen dann auch noch zu lange, warnt Prof. Dr. Friedrich Heinemann im Gastbeitrag.

Die Politik hat inzwischen Übung darin, auf Krisen mit dem Füllhorn schuldenfinanzierter Hilfspakete rasch zu reagieren. Nach den massiven Stützungsmaßnahmen in der Finanzkrise 2009 und in der Corona*-Krise 2020 ging alles nun auch in der Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine* rasch. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Regierungskoalition auf ein Entlastungspaket mit einem bunten Strauß an Maßnahmen verständigt.

Corona-Hilfen: Zu lange und zu ungenau

Eine schnell handlungsfähige Fiskalpolitik ist zwar zu loben. Sie kann helfen, Krisenpanik bei Unternehmen und Haushalten einzudämmen. Das Problem liegt jedoch an anderer Stelle: Deutschland setzt seine Krisenhilfen erstens nicht zielgenau genug ein und hält zweitens viel zu lange an diesen Maßnahmen über die Dauer einer Krise hinaus fest. Das wird im Rückblick an den Corona-Hilfen* sehr deutlich und bestätigt sich aktuell in einem viel zu diffusen Energie-Entlastungspaket.

Stimme der Ökonomen

Klimawandel, Lieferengpässe, Corona-Pandemie: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die milliarden-schweren Corona-Hilfen und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?

In unserer neuen Reihe Stimme der Ökonomen* liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen ab sofort Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.

Vergleicht man die Corona-Hilfen aller EU-Staaten, dann hat mit Ausnahme Italiens kein anderes Land ein so massives Corona-Konjunkturpaket aufgelegt wie Deutschland. Während alle Hilfspakete zusammen für Deutschland auf über 40 Prozent der Wirtschaftsleistung kamen, sind die meisten anderen EU-Staaten mit 20 Prozent oder weniger ausgekommen, obwohl sie nicht weniger von Corona betroffen waren. Kann man die anfängliche „Bazooka“ noch als hilfreiches Signal für die
Vertrauensbildung werten, so zeichnen sich Deutschlands Corona-Hilfsprogramme durch eine problematische Großzügigkeit und Langlebigkeit aus.

Während bei den Kreditprogrammen Spanien zum Beispiel immer einen nennenswerten Teil des Kreditrisikos auf die Banken abgewälzt hat, ist der Staat hierzulande zu Gunsten der Banken viel stärker ins Risiko gegangen. Bei den Kurzarbeiterprogrammen sticht Deutschlands Ansatz im internationalen Vergleich negativ heraus, weil hier die Lohnersatzrate mit der Dauer der Kurzarbeit sogar noch steigt, während sie in anderen Ländern meistens fällt. Noch dazu wurde der erleichterte Zugang zur Kurzarbeit bereits auf über zwei Jahre Laufzeit verlängert.

Viele andere europäische Länder wie Italien oder Spanien hat die Corona-Pandemie wirtschaftlich härter getroffen als Deutschland. Doch mit Ausnahme von Italien hat kein anderes Land so große Hilfspakete aufgelegt wie Deutschland.
Viele andere europäische Länder wie Italien oder Spanien hat die Corona-Pandemie wirtschaftlich härter getroffen als Deutschland. Doch mit Ausnahme von Italien hat kein anderes Land so große Hilfspakete aufgelegt wie Deutschland. © ZEW

Umfang und Dauer der Hilfspakete „hochgradig problematisch“

Der Umfang der Hilfen gepaart mit dieser lang anhaltenden Großzügigkeit ist hochgradig problematisch. Es gibt einen großen Konsens in der Makroökonomie, dass eine gute Stabilisierungspolitik schnell, gezielt und vorübergehend sein sollte. Diese Anforderungen verfehlt der deutsche Ansatz der Dauerhilfen immer deutlicher. Kurzarbeitergeld wegen Corona macht im
Frühjahr 2022 keinen Sinn mehr. Unternehmen, die immer noch wegen der Pandemie unter Unterbeschäftigung leiden, haben kein wirklich aussichtsreiches Geschäftsmodell mehr. Wenn diese Firmen sich über zwei Jahre durch Kurzarbeit über Wasser halten, dann entstehen ökonomische „Zombies“.

In der aktuellen Energiekrise wird nun auch schon wieder undifferenziert und unnötig spendabel Geld ausgegeben. Im aktuellen Entlastungspaket finden sich Instrumente wie eine 300-Euro-Energiepauschale für alle, die Einkommensteuer zahlen, und eine dreimonatige Absenkung der Energiesteuern auf Benzin und Diesel. De facto werden mit diesen schuldenfinanzierten Hilfen jetzt die höheren Energiepreise über neue Staatsverschuldung subventioniert und das oft für Einkommen, die das nicht benötigen.

Heute schon an die Krise von morgen denken

Eine gute Krisenpolitik muss Härten in der akuten Krise abfedern, sie sollte aber nicht gegen den krisenbedingten Anpassungsdruck arbeiten. Wer so unnötig den fiskalischen Spielraum vergeudet, der ist auf die nächste Krise schlecht vorbereitet. Und diese Krise kommt meistens schneller als erwartet.

Zum Autor: Prof. Dr. Friedrich Heinemann leitet den Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und lehrt Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg.

*Merkur.de ist Teil von IPPEN.MEDIA.

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